Künast und Trittin
Deutsche Grüne wählten Spitzenkandidaten
16.11.2008
Renate Künast und Jürgen Trittin führend die deutschen Grünen in die Bundestagswahl 2009, sie wollen mit Energie- und Finanzpolitik punkten.
Mit 92 Prozent Zustimmung hat der Parteitag der deutschen Grünen Renate Künast und Jürgen Trittin als Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl im kommenden Jahr nominiert. Die Delegierten in Erfurt schlossen damit am Sonntag die personelle Neuaufstellung der Grünen für das Superwahljahr 2009 ab. Zuvor war am Samstag Cem Özdemir zum neuen Bundesvorsitzenden gewählt worden. Ko-Parteichefin Claudia Roth wurde in ihrem Amt bestätigt.
"New Deal" bei Finanzkrise
Inhaltlich forderte der
Parteitag einen "Grünen New Deal" zur Bewältigung der Finanzkrise. In der
Energiepolitik verlangten die deutschen Grünen, spätestens 2050, möglichst
aber bereits 2040, die gesamte Energieversorgung in Deutschland auf
erneuerbare Energien umzustellen.
Mit kämpferischen Reden stimmten Künast und Trittin die Partei auf den Wahlkampf ein. "Grün ist stark, Grün gewinnt 2009", sagte Künast. Die Klimapolitik dürfe nicht länger Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) überlassen werden, der bei der Kfz-Steuer "den Porsche Cayenne ein Jahr steuerfrei stellen will".
Antwort auf Neoliberalismus
Trittin sagte, die Grünen würden die
Antwort geben auf drei Jahrzehnte Neoliberalismus. Er griff auch die CDU und
Bundeskanzlerin Angela Merkel scharf an. Die anstehenden Wahlen müssten zu
Volksabstimmungen über den Atomausstieg gemacht werden. "Nur starke Grüne
sind eine Garantie für Umwelt, Gerechtigkeit und Freiheit", hob Trittin
hervor. Eine klare Koalitionsaussage gab es in Erfurt nicht, wobei Roth
allerdings aus ihrer Abneigung gegen Schwarz-Grün keinen Hehl machte.
Özdemir als Bundesvorsitzender
Özdemir ist der erste
türkischstämmige Bundesvorsitzende einer deutschen Partei. Auch er erhielt
mit 79,2 Prozent der Delegiertenstimmen eine klare Mehrheit, Roth sogar 82,7
Prozent. Weitere Vorstandsmitglieder bleiben Geschäftsführerin Steffi Lemke,
Schatzmeister Dietmar Strehl sowie die Beisitzer Astrid Rothe-Beinlich und
Malte Spitz. Bei den Wahlen zum Parteirat fiel Bundestags-Fraktionschef
Fritz Kuhn durch.
Der 42-jährige Özdemir sagte, sein Vorgänger Reinhard Bütikofer, der nicht erneut kandidiert hatte, hinterlasse "große Fußstapfen". "Wir wollen gestalten in den Kommunen, in den Ländern, im Bund und in Europa", meldete der neue Parteichef in einer kämpferischen Rede ebenfalls den Anspruch auf politische Mitsprache an. Der neue Parteichef versicherte, in der Doppelspitze mit Roth werde es keine Aufteilung in linke und Realo-Vorsitzende geben. Als einen politischen Schwerpunkt nannte Özdemir neben Umwelt und Klima auch die Bildungspolitik.
Im Rahmen des "Grünen New Deal" soll ein sozial-ökologisches Investitionsprogramm dafür sorgen, "die konjunkturellen Folgen der Finanzkrise zu mildern und den ökologischen Umbau zu beschleunigen". Zudem sollen eine europaweite Umsatzsteuer für Finanzmarkttransaktionen und eine strenge Finanzmarktaufsicht eingeführt werden.
Zum Ziel des vollständigen Umstiegs auf erneuerbare Energien bis 2050 in Deutschland und Europa sagte Trittin, nur so könne eine Erderwärmung von mehr als zwei Grad verhindert werden. Beim Strom soll der Umstieg auf hundert Prozent erneuerbare Energien möglichst bereits 2030 erreicht sein. Einhellig bekräftigten die Grünen Forderungen nach einem Verzicht auf den Bau neuer Kohlekraftwerke sowie nach dem Festhalten am Atomausstieg.
Striktes Nein zu Militäreinsätzen
Am Sonntag
besiegelten die Grünen auch mit großer Mehrheit die Abkehr von ihrem
strikten Nein zu Militäreinsätzen. Unter dem Dach der UNO werden sie jetzt
in Ausnahmefällen als zulässig erachtet. Vorrang hätten aber immer zivile
Konfliktlösungen. Die Grünen fordern ferner die Umwandlung der Bundeswehr
in eine Freiwilligenarmee und eine Truppenreduzierung von derzeit 250.000
auf 200.000 Soldaten. In der Friedenspolitik bekräftigten die Grünen den
Vorrang ziviler Konfliktprävention und knüpften Auslandseinsätze an strenge
Voraussetzungen. Deutlich kritische Töne gab es zur NATO, die in eine
multilaterale Sicherheitsarchitektur integriert werden soll: In dem Papier
wird die unter der rot-grünen Regierung beschlossene deutsche Beteiligung an
den NATO-Luftangriffen im Kosovo-Krieg selbstkritisch bewertet. Die Grünen
beklagen, dass es keine ehrliche Aufarbeitung der damaligen Vorgängen
gegeben habe. Die NATO hatte für ihre Operation kein UNO-Mandat.