Sozialminister fordern höhere Sätze, Wirtschaft will einsparen.
Einen Tag nach der Verhandlung des deutschen Verfassungsgerichts ist der Streit um Hartz IV am Mittwoch neu entbrannt. Sozialminister mehrerer deutscher Bundesländer setzten sich über Parteigrenzen hinweg für höhere Sätze bei Kindern ein. Dagegen wurden aus der Wirtschaft Rufe nach weiteren Einsparungen laut.
Die Karlsruher Richter hatten am Dienstag vor allem über die Frage verhandelt, ob die niedrigen Hartz-IV-Bezüge für Kinder ausreichen, um das Existenzminimum abzudecken. Sozialministerinnen von CDU, CSU und SPD setzten sich nunmehr für eine Anhebung dieser Sätze ein.
Alkohl muss eingerechnet werden
Die Ressortchefin von
Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD), sagte der "Rheinischen
Post": "Ich gehe davon aus, dass eine gezielte Bedarfsermittlung dazu führt,
dass die Regelsätze für Kinder erhöht werden müssen." Ihr Bedarf müsse
gesondert ermittelt und dürfe nicht länger nur prozentual vom Regelsatz für
Erwachsene abgeleitet werden, in den beispielsweise auch Alkohol
eingerechnet sei.
Auch die bayrische Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) sagte im Gespräch mit den "Ruhr Nachrichten", Kinder seien keine kleinen Erwachsenen. Die rein prozentuale Berechnung werde ihrer Lebenssituation nicht gerecht. Kinder hätten einen flexiblen Bedarf, der in bestimmten Lebensphasen durchaus deutlich höher liegen könne als der von Erwachsenen, fügte die derzeitige Vorsitzende der Sozialministerkonferenz der Länder hinzu. Ihre baden-württembergische Amtskollegin Monika Stolz (CDU) sagte der Zeitung: "Angesichts der Bedeutung, die der Bekämpfung von Kinderarmut zukommt, müssen jetzt konkrete Entscheidungen getroffen werden und Taten folgen."
Arbeit lohnt sich nicht mehr
Dagegen warnte das arbeitgebernahe
Institut der deutschen Wirtschaft (IW) vor negativen Folgen für den
Arbeitsmarkt und die öffentlichen Kassen bei einer Anhebung der Sätze. Sein
Arbeitsmarktexperte Holger Schäfer sagte der "Bild"-Zeitung: "Höhere
Hartz-IV-Sätze für Kinder könnten dazu führen, dass sich Arbeit für einige
Familien vergleichsweise weniger lohnt." Der eine oder andere werde seinen
Job aufgeben, weil für ihn die "Stütze" ausreichend sei. Das führe wiederum
zu höheren Kosten für die öffentliche Hand.
Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt rief die künftige deutsche Regierung aus CDU/CSU und FDP auf, Milliardenbeträge beim Arbeitslosengeld II einzusparen. Dies ginge ohne Probleme "durch einen wirtschaftlichen Mitteleinsatz", sagte er gegenüber der "Leipziger Volkszeitung". Dazu bedürfe es aber einer Effizienzsteigerung bei der Hartz-IV-Verwaltung nach dem Vorbild der Reform bei der Arbeitslosenversicherung. Einsparungen seien möglich, wenn konsequent nach Wirkung und Wirtschaftlichkeit gefördert, unwirksame Maßnahmen abgeschafft und das Instrumentarium insgesamt wesentlich vereinfacht würden.