Kommission spricht von einem "wirklich großflächigen Betrug."
Gut drei Wochen nach der Präsidentschaftswahl in Afghanistan hat die von den Vereinten Nationen unterstützte Beschwerdekommission (ECC) die ersten Resultate für ungültig erklärt. In zahlreichen Wahllokalen der südöstlichen Provinzen Ghazni und Paktika habe es "klare und überzeugende Beweise" für Wahlbetrug gegeben, erklärte die Kommission. In Paktika seien sämtliche Stimmen aus fünf Wahllokalen ungültig, in Ghazni seien die Stimmen aus zahlreichen Wahlurnen von 27 Wahllokalen nicht zu werten.
Kommission
Der Kommission gehören zwei Afghanen sowie drei von
der UNO ernannte Mitglieder an. Das Gremium hat angeordnet, in Stimmlokalen
mit einer Wahlbeteiligung von hundert Prozent (oder darüber) sowie in
Bezirken mit mehr als 95 Prozent für einen Kandidaten die Stimmen
nachzuzählen. Das offizielle Endergebnis wird sich somit bis etwa Ende
September verzögern.
Starke Zweifel
Bisher veröffentlichte Teilresultate, die von
einem klaren Sieg des Amtsinhabers Hamid Karzai künden, werden von der
Opposition und internationalen Experten bezweifelt. Der deutsche
Wahlbeobachter Gunter Mulack sprach von einem "wirklich großflächigen
Betrug" bei der Wahl. Von den bisher überprüften 19.000 Wahllokalen gebe es
2451 Stationen, in denen ein Kandidat mehr als 90 Prozent der Stimmen
erhielt. In 214 Wahllokalen sei die Zahl der abgegebenen Stimmen größer als
die Zahl der Wahlberechtigten. Allein dadurch seien mehr als 700.000 der
landesweit rund fünf Millionen Stimmen fragwürdig.
Abdullah schlägt zurück
Karzais schärfster Rivale,
Ex-Außenminister Abdullah Abdullah, warf den Behörden am Donnerstag
neuerlich Wahlbetrug vor. Der britischen BBC sagte Abdullah, die
Wahlkommission (IEC) sei "überhaupt nicht unabhängig". "Ich denke, es ist
nicht zum Wohl des Landes, dass jemand, der massiven Betrug begangen hat,
das Land für fünf Jahre regiert." Die Wahl destabilisiere Afghanistan. Nach
den am Dienstag von der IEC veröffentlichten Teilergebnissen aus knapp 92
Prozent der Wahllokale kommt Karzai auf 54,1 Prozent der Stimmen. Abdullah
liegt bei 28,3 Prozent.
Luftangriff
Die Debatte über den von deutschen Soldaten
angeforderten folgenschweren Luftangriff bei Kunduz ging indes weiter. Der
"Süddeutschen Zeitung" zufolge übte die NATO in einem vorläufigen Bericht
über den Vorfall, bei dem Dutzende Menschen getötet worden waren, scharfe
Kritik am deutschen Oberst Georg Klein. Er habe die Lage falsch
eingeschätzt, als er die Bombardierung zweiter von den Taliban gekaperter
Tanklastzüge anforderte. Es sei "sonnenklar", dass Klein den
vorgeschriebenen Befehlsweg nicht eingehalten habe, heißt es in dem Bericht
unter Berufung auf einen hohen NATO-Offizier. NATO-Sprecher James Appathurai
dementierte jedoch die Existenz eines solchen Berichts.
Weitere Kritik
Die NATO-Truppen kamen indes auch wegen eines
anderen gewaltsamen Vorfalls weiter unter Druck. Am Donnerstag wurde
bekannt, dass ein britisches Einsatzkommando den bei Kunduz entführten "New
York Times"-Journalisten Stephen Farrell trotz gut laufender Verhandlungen
über eine Freilassung blutig befreit habe. Bei dem Einsatz in der Nacht auf
Mittwoch waren vier Menschen getötet worden: Farrells Übersetzter Sultan
Munadi, ein britischer Soldat sowie eine afghanische Frau und ein Kind.
Obwohl mit den Taliban über ein Lösegeld verhandelt worden sei, habe der
britische Geheimdienst die Befreiungsaktion beschlossen, schrieb die
britische Zeitung "The Guardian".