Iran-Wahl
Ein Toter bei Krawallen in Teheran
15.06.2009
Bei der verbotenen Demo fielen Schüsse - mindestens ein Mensch starb.
Bei einer verbotenen Kundgebung in Teheran sind am Montagabend Augenzeugen zufolge Schüsse gefallen. Mindestens ein Demonstrant sei getötet worden, zahlreiche Menschen seien verletzt worden, berichteten Augenzeugen. Trotz des Demonstrationsverbots protestierten Zehntausende Iraner im Herzen Teherans gegen den Ausgang der Präsidentenwahl.
Oppositionsführer Moussawi: Stürzt er das Mullah-Regime? Foto, (c) APA
Wahl wird überprüft
Mit Bildern von Mir-Hossein
Moussawi und Sprechchören zogen sie zum Revolutionsplatz, wo der unterlegene
Kandidat per Megafon seine Bereitschaft zu Neuwahlen bekräftigte. Vereinzelt
kam es zu Prügeleien mit Anhängern von Amtsinhaber und Wahlsieger Mahmoud
Ahmadinejad. Der geistliche Führer des Landes, Ayatollah Ali Khamenei,
ordnete eine Prüfung des umstrittenen Ergebnisses der Wahl vom Freitag an.
Der Protestzug in Teheran blockierte über Kilometer hinweg die Straßen der iranischen Hauptstadt. Die Demonstranten trugen grün, die Farbe Moussawis. "Moussawi, nimm unsere Stimmen", skandierten sie und kündigten tägliche Demonstrationen an, sollte Ahmadinejad Präsident bleiben. "Wir kämpfen, wir sterben, wir werden diese Wahlmanipulation nicht akzeptieren", schallte es aus der Menge. Zuvor hatte das Innenministerium die Kundgebung verboten. Mit vielen Sprechchören erinnerten die Demonstranten an die Slogans der Revolution von 1979.
Ein Verletzter in Teheran, Foto: (c) AP
Moussavi sprach sich für eine Wiederholung des Wahlgangs aus. "Wir sind bereit, wieder an einer Präsidentschaftswahl teilzunehmen", sagte der Herausforderer des ultrakonservativen Amtsinhabers Mahmud Ahmadinejad auf der verbotenen Großdemonstration gegen den Ausgang der Wahl. Nach AFP-Schätzungen protestierten mehrere hunderttausend Mussawi-Anhänger in der iranischen Hauptstadt, obwohl die Kundgebung zuvor untersagt worden war. Mehrere Polizisten sprach von 1,5 bis zwei Millionen Teilnehmern.
Gewalt auf den Straßen, Foto: (c) Reuters
Wie ein AFP-Korrespondent aus Teheran berichtete, fielen die Schüsse am Ende der Demonstration mit hunderttausenden Teilnehmern, auch Tränengas wurde eingesetzt. Eine Rauchwolke über der Innenstadt stamme von brennenden Reifen und Mülleimern, auch mehrere Motorräder seien in Brand gesteckt worden. Zahlreiche Menschen verließen demnach den Ort der Kundgebung in Panik. Bereits am Wochenende waren die iranischen Sicherheitskräfte gewaltsam gegen Demonstranten vorgegangen. Der ehemalige Ministerpräsident Moussavi hatte seine Anhänger zum friedlichen Protest aufgefordert.
Hunderttausende auf den Straßen
Trotz des Verbots waren
hunderttausende Anhänger des unterlegenen Reformkandidaten Moussavi zur
Universität und zum nahen "Platz der Revolution" im Zentrum Teherans
geströmt. "Wir haben euch gewarnt, wenn ihr uns betrügt, machen wir euch das
Leben zur Hölle", riefen sie. Am Platz und in den umliegenden Straßen bezog
ein massives Polizeiaufgebot Stellung, die Sicherheitskräfte hielten sich
allerdings zunächst zurück. "Polizei, Polizei, Danke", riefen die
Demonstranten.
Augenzeugen berichteten, der frühere Reformpräsident Mohammed Khatami und der moderate Geistliche Mehdi Karroubi, ebenfalls Kandidat bei den jüngsten Wahlen, seien ebenfalls ins Stadtzentrum gefahren. Khatami sagte, das was bei diesen Wahlen geschehen sei, habe das Vertrauen in den Staat beschädigt. Augenzeugen beschrieben die Lage in Teheran als "äußerst gespannt". Immer wieder erschallten Slogans wie "Tod dem Diktator" oder "Wir sind hier, und wir bleiben hier".
Im Kreuzfeuer der Kritik: Irans Präsident Ahmadinejad, Foto: (c) APA
"Betrug"
Ahmadinejad hatte nach offiziellen Angaben bei
der Präsidentschaftswahl am Freitag fast 63 Prozent der Stimmen erhalten,
Moussavi lediglich knapp 34 Prozent. Nach allen Vorhersagen war ein
Kopf-an-Kopf-Rennen erwartet worden. "Ihr könnt uns um ein oder zwei Prozent
betrügen, aber nicht um 53 Prozent", riefen Demonstranten an die Adresse des
Innenministeriums gerichtet. Der umstrittene Präsident hatte die
Demonstranten am Samstag als einen Haufen von Hooligans bezeichnet, die eine
Niederlage ihrer Mannschaft nicht verkrafteten und ihrer Frustration freien
Lauf ließen. "Ahmadinejad, hier kommen die Hooligans", konterten die
Demonstranten am Montag.
Ayatollah Ali Khamenei, oberster Führer des Iran und geistliches Oberhaupt, wies unterdessen den Wächterrat an, Vorwürfe von Unregelmäßigkeiten sorgsam zu überprüfen, wie der Nachrichtensender Khabar berichtete. Khamenei wollte auch als Hauptredner beim bevorstehenden Freitagsgebet in der Teheraner Universität auftreten, was sonst nur in außergewöhnlichen Situationen geschieht. Ahmadinejad verschob kurzfristig eine für Montag geplante Reise nach Russland.
Internationale Kritik nimmt zu
International nahm die Kritik an
der Regierung der Islamischen Republik zu. Die USA äußerten Zweifel am
Wahlergebnis. Die EU-Außenminister forderten eine Überprüfung des
Ergebnisses. Die deutsche Bundesregierung forderte ein sofortiges Ende des
gewaltsamen Vorgehens der Sicherheitskräften gegen Demonstranten und
bestellte aus Protest den iranischen Botschafter in Berlin ein. Das
Auswärtige Amt forderte den Iran auf, umgehend die Restriktionen gegenüber
deutschen und anderen Medien aufzuheben. Der britische Premierminister
Gordon Brown forderte die iranische Führung auf, die "ernsten Fragen" zum
Ablauf des Urnengangs zu beantworten. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon
verlangte, den Volkswillen zum Zuge kommen zu lassen.