Die einseitigen und oft auch widersprüchlichen Äußerungen von Georgiens Präsident Saakaschwili erschweren, die Situation im Kaukasus einzuschätzen.
Täglich gibt der georgische Präsident Michail Saakaschwili Fernsehinterviews, für ausländische Sender gerne in fließendem Englisch. Und was er zu sagen hat, klingt explosiv: Russland wolle die Hauptstadt Tiflis umzingeln, erklärte er beispielsweise am Mittwoch auf CNN. Die US-Streitkräfte würden die Kontrolle über georgische Flug- und Seehäfen übernehmen, kündigte er in einem anderen Interview an. Das Dementi folgte prompt. Doch derartige Äußerungen machen es schwer, die Situation im südlichen Kaukasus zu beurteilen.
Widersprüche
Widersprüchliche Berichte aus dem Krisengebiet,
mangelnde Informationen aus Geheimdienstquellen, einseitige Darstellungen
der Kampfhandlungen - eine neutrale Einschätzung des Konflikts zwischen
Georgien und Russland ist kaum möglich. Das machen auch die Stellungnahmen
des Weißen Hauses deutlich. US-Präsident George W. Bush erklärte am Mittwoch
mehrmals, er sei besorgt über "Berichte", wonach Russland die zugesicherte
Waffenruhe verletzt habe. Und auch Bushs Sprecherin Dana Perino formulierte
vorsichtig: "Wir haben glaubhafte Berichte..." oder: "Wir bemühen uns um
konkrete Informationen..."
Augen und Ohren der US-Aufklärungsspezialisten waren bisher zum größten Teil auf den Irak und Afghanistan gerichtet. Erst vergangenes Wochenende genehmigte das Pentagon eine Neupositionierung einiger Satelliten. Dennoch: "Es ist sehr schwer, sich zeitnah ein zutreffendes Bild zu verschaffen von einer Krise, die sich schnell ändert", sagt Gordon Johndroe, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates. Die Russen sagen das eine, die Georgier das andere, und internationale Diplomaten müssen beide Darstellungen in Einklang bringen. Saakaschwili macht ihnen mit seinen Übertreibungen diese heikle Aufgabe gewiss nicht leichter.
Charisma als Plus
Der weltgewandt wirkende georgische Staatschef,
der in den USA studiert hat, nutzt sein Charisma, um der Welt seine Sicht
der Dinge darzulegen. In einem Interview des US-Senders CNN warnte
Saakaschwili am Mittwoch, die russischen Truppen näherten sich der
Hauptstadt, und Moskau habe vor, eine eigene Regierung in Tiflis zu
installieren. Reporter der Nachrichtenagentur Associated Press konnten
jedoch keine Anzeichen für derartige Pläne ausmachen. Zwar setzten sich
einige Dutzend russische Militärfahrzeuge von Gori aus in Richtung Tiflis in
Bewegung, kehrten später aber wieder um. Im georgischen Fernsehen verkündete
Saakaschwili am selben Tag, die Ankunft eines US-Militärflugzeugs mit
Hilfsgütern bedeute, "dass georgische Häfen und Flughäfen unter die
Kontrolle des US-Verteidigungsministeriums gestellt werden". Ein
Pentagon-Sprecher stellte unverzüglich klar: "Es gibt weder die
Notwendigkeit noch die Absicht, georgische Flug-oder Seehäfen zu übernehmen,
um humanitäre Hilfe zu leisten."
Der 40-jährige Saakaschwili beharrt darauf, nicht zu übertreiben. Der Westen habe seine Warnungen ignoriert, dass Russland einen Militäreinsatz in Georgien plane, sagte er. "Und schauen sie sich nun an, was sie tun. Das hat schon meine schlimmsten Erwartungen übertroffen."