Nach 10 Jahren
Einzelhaft von PKK-Chef Öcalan soll beendet werden
21.11.2008
Öcalan ist seit fast zehn Jahren völlig isoliert, da sich die Einsamkeit negativ auf seinen Geisteszustand auswirkt bekommt er nun Gesellschaft.
Seit fast zehn Jahren ist er fast völlig von der Außenwelt abgeschnitten - der kurdische Rebellenchef Abdullah Öcalan ist zwar der prominenteste Häftling der Türkei, aber auch der einsamste. Öcalan ist der einzige Insasse der Strafanstalt der Gefängnisinsel Imrali im Marmarameer südwestlich von Istanbul. Seit knapp zehn Jahren sieht er dort nur sein Wachpersonal sowie hin und wieder seine Anwälte und seine Schwester, die ihn besuchen dürfen. Doch nun soll Öcalan Gesellschaft bekommen.
Andere Häftlinge nach Imrali verlegen
Die Regierung in
Ankara will fünf bis sechs weitere Häftlinge nach Imrali verlegen. So soll
verhindert werden, dass der Chef der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in der
Einsamkeit den Verstand verliert. Denn das würde der Türkei innen- und
außenpolitisch beträchtlich schaden. Justizminister Mehmet Ali Sahin
bestätigte am Freitag einen Zeitungsbericht, wonach neue Häftlinge nach
Imrali gebracht werden sollen. Eine neue Vollzugsanstalt auf der Insel sei
in Planung. Baumaschinen, Lastwagen und Baumaterial seien bereits auf die
Insel gebracht worden, meldete das türkische Fernsehen.
Öcalan muss auf Insel bleiben
Imrali ist wegen des
prominenten Insassen so stark gesichert und abgeschirmt, das die Gewässer in
der Nähe zu einem Refugium für die Fischbestände im Marmarameer geworden
sind. Ein Befreiungsversuch der PKK für ihren Chef ist auf Imrali so gut wie
ausgeschlossen. Eine Verlegung Öcalans in eine Haftanstalt auf dem Festland
lehnt Ankara deshalb strikt ab. Öcalan soll auf Imrali bleiben und seine
lebenslange Haftstrafe abbüßen, zu der er kurz nach seiner Entführung durch
den türkischen Geheimdienst aus Kenia 1999 verurteilt worden war.
Unruhen nach Misshandlungsbericht
Auch hinter Gittern ist Öcalan
eine wichtige Persönlichkeit für die türkischen Kurden geblieben. Seine
zuweilen recht wunderlichen Episteln, die er seinen Anwälten bei deren
Besuchen mitgibt oder diktiert, werden von kurdischen Zeitungen kritiklos
nachgedruckt und von PKK-Funktionären zitiert. Als vor kurzem Berichte
auftauchten, Öcalan sei von seinen Wärtern zuerst zu einem Kurzhaarschnitt
gezwungen und wenig später körperlich misshandelt worden, brachen im
türkischen Kurdengebiet schwere Unruhen aus.
Einzelhaft wirkt sich auf Geisteszustand Öcalans aus
Fachleute
des Anti-Folter-Komitees des Europarats hatten sich bei Besuchen auf Imrali
in den vergangenen Jahren besorgt über die Auswirkungen der langen
Einzelhaft auf den Geisteszustand Öcalans gezeigt. Offenbar waren es diese
Warnungen, die Ankara über ein Ende der Isolation nachdenken ließen. Sollte
der PKK-Führer durch türkische Haft in den Wahnsinn getrieben werden, würde
das dem EU-Bewerber Türkei neue Vorwürfe einbringen. Zudem könnte es eine
neue Radikalisierung der Kurden im eigenen Land geben.
Öcalans Anwälte skeptisch
Doch obwohl die Verlegung
neuer Häftlinge nach Imrali als praktische Lösung erscheint, sind Öcalans
Anwälte skeptisch, ob dies tatsächlich geschehen wird. Die Regierung habe
schon häufiger entsprechende Andeutungen gemacht, ohne dass etwas geschehen
sei, sagte Anwältin Hatice Korkut unserer Zeitung. Auch habe Ankara sonst
nichts getan, um die Haftbedingungen zu erleichtern. Nicht einmal Briefe
schreiben dürfe Öcalan.
Sollte sich die Regierung diesmal allerdings dazu durchringen, etwas für den einsamen Mann auf Imrali zu tun, wäre das gut, sagte die Advokatin. Auch auf die Kurden in der Türkei werde sich dies beruhigend auswirken. In einer Zeit, in der viele Kurden angesichts einer verhärteten Haltung Ankaras in der Kurdenfrage von der Regierung enttäuscht sind, wäre das auch mit Blickrichtung auf die im März anstehenden Kommunalwahlen aus Sicht von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan ein kluger Schritt. Denn Erdogan strebt insbesondere durch Siege in den Kurdengebieten bei den Wahlen einen neuen Triumph an.