Bei den Trauerfeierlichkeiten für den chilenischen Militärdiktator Augusto Pinochet hat es einen weiteren Zwischenfall gegeben.
Ein Enkel eines Regime-Opfers spuckte auf den Sarg des Verstorbenen, teilte das Heer am Dienstag mit. Der Mann, Francisco Cuadrados Prats, wurde von Wachsoldaten festgenommen, kurz darauf aber frei gelassen. Nach Militärangaben war es der einzige Zwischenfall bei den Trauerfeierlichkeiten, bei denen von Montag bis Dienstag 60.000 Menschen am Sarg des im Alter von 91 Jahren verstorbenen Pinochet vorbei defilierten.
Onkel im Exil ermordet
Cuadrados ist der Enkel von General Carlos
Prats, der vor dem von Pinochet 1973 geführten Putsch gegen Präsident
Salvador Allende Generalstabschef war. Prats wurde 1974 im argentinischen
Exil ermordet. Er war Gegner der Junta und ein argentinisches Gericht hatte
den chilenischen Geheimdienst für seine Ermordung verantwortlich gemacht.
Ein argentinischer Auslieferungsantrag gegen Pinochet blieb erfolglos.
Cuadrados sagte, er mache Pinochet für den Mord an seinem Großvater
verantwortlich.
Ministerin ausgebuht
Die Zerrissenheit der chilenischen
Gesellschaft wurde am Tag des Begräbnisses erneut deutlich, als
Verteidigungsministerin Vivianne Blanlot ausgebuht wurde. Obwohl die
sozialistische Präsidentin Michelle Bachelet ein Staatsbegräbnis wie für
Ex-Präsidenten ausdrücklich verboten hatte, legten Enkel des am Sonntag im
Alter von 91 Jahren verstorbenen Generals im Ruhestand bei der Zeremonie in
der Offiziersschule eine Präsidentenschärpe über den Sarg.
Feiern und Proteste
Nach der Trauerfeier wurde der Sarg Pinochets
mit einem Hubschrauber nach Vina del Mar übergeführt, wo der Leichnam
eingeäschert werden sollte. Während die Anhänger Pinochets trauerten,
feierten die Gegner und Opfer des Regimes in den Straßen der Hauptstadt.
Seit Pinochet am Montag in der Offiziersschule aufgebahrt lag, waren nach Angaben der Polizei etwa 40.000 bis 60.000 Menschen am Sarg vorbeigezogen. Beobachter in Santiago äußerten sich überrascht über diese "Wiederkehr" der öffentlichen Begeisterung für Pinochet und sein rechtes Gedankengut. Es war die größte Demonstration für Pinochet seit der Rückkehr des Landes zur Demokratie vor 16 Jahren.
Tief gespaltene Gesellschaft
Die chilenische Gesellschaft ist in
ihrem Urteil über Pinochet noch immer tief gespalten. Seine Anhänger halten
ihn für einen "Revolutionär, der Chile Demokratie und Wohlstand
gebracht" habe, wie einer der Trauergäste meinte. Seine Gegner
bezeichnen ihn hingegen als Schlächter, der für den Tod von mindestens 3.500
Regimegegnern und Andersdenkende während seiner Herrschaft (1973-1990)
verantwortlich ist. Dem Staat werfen sie vor, dass Pinochet nie vor Gericht
gestellt wurde. Der Erzbischof von Santiago, Kardenal Francisco Javier
Errazuriz, sagte, er bete dafür, dass Gott Pinochet vergebe und dabei auch "alle
guten Taten" Pinochets berücksichtige.
Menschenrechtsgruppen hatten angesichts des Todes von Pinochet eine Beschleunigung der Strafverfahren wegen Menschenrechtsverbrechen gefordert. Dass Pinochet durch den Tod seiner Strafe entgangen sei, müsse als "Weckruf" verstanden werden, schrieb etwa die Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Chile solle auch die noch unter Pinochets Herrschaft erlassene Amnestie für Militärs und Polizisten aufheben, damit Tausende von Menschenrechtsverbrechen doch noch gerichtlich aufgearbeitet werden könnten. Das seien der Staat und die Gesellschaft den Opfern der Diktatur schuldig.