Die EU-Außenminister ringen um eine einheitliche Linie nach der Abstimmung in Irland, doch ein Ende der Krise zeichnet sich nicht ab.
Vier Tage nach Ablehnung des Lissabon-Reformvertrags in Irland zeichnet sich ab, dass die Europäische Union keinen schnellen Ausweg aus der Krise findet. "Es wäre riskant zu sagen, wir werden den Lissabon-Vertrag wiederbeleben", sagte der slowenische Außenminister und EU-Ratsvorsitzende Dimitrij Rupel in Luxemburg bei Beratungen der EU-Außenminister vor dem bevorstehenden EU-Krisengipfel am Donnerstag. Der irische Außenminister Micheal Martin sagte, es wäre noch "viel zu früh" für irgendwelche Lösungen.
Zeit zum Nachdenken
"Es gibt keine schnell gefertigten Lösungen",
betonte Martin. Irland wolle weiterhin "im Herzen Europas bleiben" und
respektiere auch die Entscheidung der anderen EU-Staaten, die den
Lissabonner Vertrag bereits ratifizierten. "Wir stehen vor einer Blockade,
vor einem Moment der Wahrheit", sagte Rupel. Nun sei es "Zeit für ein wenig
Nachdenken, Analyse, Zuhören". Das Votum der Iren müsse respektiert werden,
sagte der slowenische Außenminister. Es werde in en nächste Wochen weitere
Ratifizierungen geben, die Unterstützung für ein starkes Europa sei
vorhanden. Eine Lösung für die Situation habe er nicht, betonte Rupel.
Ein Sprecher des deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier relativierte am Montag in Berlin Äußerungen Steinmeiers vom Wochenende, mit denen dieser einen Ausstieg Irlands aus der EU als möglichen Ausweg aus der EU-Krise skizziert hatte. Dies sei "kein Vorschlag" und auch "keine Zielvorgabe", sagte der Sprecher. Steinmeier selbst betonte in Luxemburg, die EU müsse "gemeinsam mit Irland Auswege zu finden, um die gegenwärtige Situation zu deblockieren".
Zweiter Anlauf in Irland gefordert
Sein Luxemburger Kollege Jean
Asselborn plädierte für eine EU-Erklärung, die den Vertrag für Irland
offenbar in zweiter Abstimmung annehmbar machen sollte - durch diverse
"Zuckerl" an die irischen Wähler. Eine solche Erklärung sei erforderlich,
damit eine neuerliche Ratifizierung durch jene Staaten, die dem Vertrag
bereits zugestimmt haben, verhindert wird, sagte Asselborn. Eine
EU-Erklärung an Irland sollte klarstellen, dass sich die EU nicht um die
Abtreibung kümmere, für Steuerfragen Einstimmigkeit nötig sei und dass die
EU die Neutralität Irlands respektiere. Vor allem die Frage der Abtreibung
sowie die Befürchtung, der neue EU-Vertrag führe zur Anhebung der in Irland
niedrigen Unternehmenssteuern, waren Argumente der Vertragsgegner in Irland.
Außenministerin Ursula Plassnik forderte "Fairness für Irland". Die EU sollte derzeit "keine Optionen ausschließen und niemanden in die Ecke drängen". Sie sei gegen vorschnelle Festlegungen, auch ein zweites Referendum in Irland schloss Plassnik auf entsprechende Fragen nicht aus. "Ich vertraue auf die Kraft der 27, Zusammenhalten und Zusammenbleiben, das ist im Moment der wichtigste Teil unserer Arbeit", sagte sie.
Fortsetzung des Ratifizierungsprozesses gefordert
Mehrere
Minister sprachen sich für die von EU-Kommissionspräsident Jose Manuel
Barroso verlangte Fortsetzung des RatifizierungsprozessesFortsetzung des
Ratifizierungsprozesses aus. Der britische Außenminister David Miliband
sagte, es sei wichtig dass das parlamentarische Ratifizierungsverfahren in
seinem Land am Mittwoch abgeschlossen werde. In Großbritannien ist noch die
Zustimmung des Oberhauses zu dem Lissabon-Vertrag ausständig. Schwedens
Außenminister Carl Bildt versicherte, auch sein Land werde sich zu dem
EU-Vertrag äußern. "Der Vertrag ist nicht tot", betonte der finnische
Chefdiplomat Alexander Stubb. "Die Erweiterung wird nicht stoppen. Der
EU-Integrationsprozess wird nicht aufhören", sagte er. Auch bei
den anderen ausstehenden Staaten (Italien, Spanien, Belgien, Schweden,
Zypern und Niederlande) geht man von einer planmäßig Ratifizierung aus.
Angst vor Tschechien
In EU-Regierungskreisen hat man nun zudem
Angst vor Tschechien. Vor allem davor, dass der als äußerst EU-kritisch
bekannte Staatspräsident Vaclav Klaus das Verfahren stoppen könnte.
Kein Erweiterungsstopp
EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn wies
indes Forderungen aus dem Europäischen Parlament nach einem
Erweiterungsstopp nach dem Nein der Iren zurück. "Es gibt keine direkte
Verbindung", betonte Rehn am Montag. "Wir haben Entscheidungen getroffen zur
Erweiterung mit der Eröffnung von Beitrittsverhandlungen mit Kroatien und
der Türkei, mit Einstimmigkeit von allen EU-Staaten", unterstrich der
Kommissar. Auch Plassnik unterstrich, das irische Nein ändere nichts an
bestehenden Erweiterungszusagen. "Die Europäische Union hält Wort."