Benita Ferrero-Waldner rudert zurück: Sie dementiert, Olympia in China boykottieren zu wollen - vorerst. Man solle die nächsten Wochen abwarten.
EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner hat bestritten, Peking mit einem Boykott der Olympischen Spiele gedroht zu haben, wie die Zeitung "Bild am Sonntag" berichtet hatte. "Da ist ein klares Missverständnis da. Ich habe in diesem Interview davon gesprochen, dass man sich hinsichtlich der Frage des allfälligen Boykotts der Eröffnungsveranstaltung Zeit lassen sollte und das nicht jetzt entscheiden sollte", sagte die Kommissarin am Samstag im slowenischen Brdo vor Journalisten.
"Wir finden, dass es keinen Boykott der Olympischen Spiele geben soll, aber später sollten wir die Frage der Eröffnungsveranstaltung besprechen", sagte Ferrero-Waldner. In diesem Moment sei es wichtig, dass es zu einem Dialog zwischen den chinesischen Behörden und dem Exil-Oberhaupt der Tibeter, dem Dalai Lama, komme.
Die Tibet-Krise wird am Samstag von den EU-Außenministern erörtert. Die Kommissarin erwartet, dass es am Ende des Treffens zu einer klaren Botschaft an China kommen wird: "Lasst euch in einen konstruktiven, substanziellen Dialog über die Fragen von Tibetanern und Chinesen ein und seht von Gewalt ab." In dem Dialog zwischen den chinesischen Behörden und Vertretern Tibets sollte nach Worten von Ferrero-Waldner über Fragen der kulturellen Rechte, der Identität, der Religion und der Tradition der Tibeter gesprochen werden.
Ferrero-Waldner wurde von der "Bild am Sonntag" mit den Worten zitiert, die Spiele sollten in einem Umfeld stattfinden, das den olympischen Geist wiederspiegle. "Wir sollten uns genau anschauen, wie sich Peking in den nächsten Wochen verhält - und dann über Boykottmaßnahmen entscheiden", sagte Ferrero-Waldner demnach.
Keine Olympia-Berichterstattung durch die ARD?
Das Erste
Deutsche Fernsehen (ARD) schließt einen Ausstieg aus der Berichterstattung
von den Olympischen Sommerspielen in Peking für den Fall nicht aus, dass die
Arbeitsmöglichkeiten der Kamerateams eingeschränkt werden. Der
ARD-Vorsitzende Fritz Raff sagte in einem "Spiegel"-Vorausbericht,
derzeit gehe er davon aus, dass ARD und ZDF wie geplant berichten werden. "Wir
werden jedoch genau beobachten, ob unsere Freiheit der Berichterstattung
eingeschränkt wird", wurde er zitiert. Sollte dies der Fall sein,
sei neu zu prüfen, "ob wir unseren rechtlichen Verpflichtungen auf
Berichterstattung in vollem Umfang nachkommen können".
Er sehe keinen Sinn darin, mit einem Fernsehboykott der Olympischen Spiele in Peking zu drohen. "Das ist bislang nur ein Wettbewerb um die beste Schlagzeile", wurde Raff zitiert. Die WDR-Intendantin Monika Piel sprach sich laut einem "Focus"-Vorausbericht ebenfalls dafür aus, eine Entscheidung über einen Boykott "offen zu lassen". Würden etwa die Arbeitsmöglichkeiten für ARD-Kamerateams eingeschränkt, "müssen wir über die Berichterstattung neu nachdenken", wurde sie zitiert. Piel bezeichnete die Menschenrechtsverletzungen in Tibet als "kulturellen Genozid".