Die 27 EU-Staaten haben sich auf eine Ausnahmeregelung für Prag geeinigt.
Die EU-Staats- und Regierungschefs haben bei ihrem Gipfel Donnerstag abend eine große Hürde für den Lissabon-Vertrag beseitigt. Prag erhält eine generelle Ausnahme von der EU-Grundrechtecharta. Eine entsprechende Erklärung und ein Protokoll sollen es Staatspräsident Vaclav Klaus ermöglichen, als letzter den EU-Vertrag zu ratifizieren.
Ausnahme für Tschechien
Tschechien soll beim nächsten
EU-Beitritt - voraussichtlich Kroatiens oder Islands - eine entsprechende
Ausnahme gewährt werden. In der von den 27 EU-Staaten vereinbarten
Ausnahmeregelung von der EU-Grundrechtecharta sei kein direkter oder
indirekter Hinweis auf die umstrittenen Benes-Dekrete enthalten, teilten
Diplomaten mit. Sollte Klaus die Erklärung des EU-Gipfels akzeptieren und
keine weiteren Verzögerungen ins Auge fassen, dürfte einer raschen
Unterzeichnung durch den Präsidenten und einem baldigen Inkrafttreten des
Vertragswerks nichts mehr im Weg stehen.
In Tschechien muss allerdings auch noch noch das Verfassungsgericht über eine Klage von EU-kritischen Senatoren gegen den Vertrag von Lissabon entscheiden. Die Richter wollen sich dazu am nächsten Dienstag äußern.
Der tschechische Staatspräsident Klaus hatte bisher eine Ratifizierung des Lissabon-Vertrags verweigert, die mit der EU-Grundrechtecharta verknüpft ist, und eine solche Ausnahmeregelung verlangt. Klaus fürchtet mögliche Entschädigungsklagen von nach dem Zweiten Welt vertriebenen Sudetendeutschen.
Voraussetzung für EU-Spitzenposition
Der Lissabon-Vertrag
ist auch die Voraussetzung für die neuen Spitzenpositionen der EU - den
EU-Ratspräsidenten und den Hohen Beauftragten für die EU-Außenpolitik. Dabei
zeichnete sich eine Einigung zwischen den beiden stärksten Parteien ab. So
soll die Gruppe der Konservativen den EU-Ratspräsidenten erhalten und die
Sozialdemokraten den "EU-Außenminister". "Es ist eine Tendenz spürbar, dass
die Sozialisten den ersten Zugriff beim EU-'Außenminister' kriegen", sagte
der deutsche CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok am Donnerstag am Rande des
EU-Gipfels in Brüssel.
Innerhalb der Sozialdemokraten gab es am Donnerstag noch Unstimmigkeiten, weil der britische Premier Gordon Brown weiterhin seinen Vorgänger Tony Blair von der Labour Party als EU-Ratspräsident haben will, was aber nach der Grundsatzeinigung mit den Konservativen ausgeschlossen ist. Die Gruppe der Sozialdemokraten setzt hier offenbar auf Zeit und ernannte deshalb ein Verhandlungstrio mit Bundeskanzler Werner Faymann, Spaniens Regierungschef Jose Luis Zapatero und dem Chef der EU-Sozialdemokraten Poul Nyrup Rasmussen, das mit Deutschlands Regierungschefin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso über die Topposten der EU verhandeln soll. Ein endgültiges Ergebnis soll in zwei bis drei Wochen vorliegen.
Uneinigkeit beim Klimaschutz
Keine fixe Zusage gab der EU-Gipfel
vorerst beim Klimaschutz. Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich vor
der Weltklimakonferenz in Kopenhagen nicht auf ein konkretes Angebot zur
Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen für die Entwicklungsländer geeinigt.
Innerhalb der EU-Staaten gibt es einen Streit zwischen den alten und den
neuen Ländern vor allem aus Mittel- und Osteuropa. Österreich, Deutschland,
Frankreich oder Dänemark wollten einen konkreten Verteilungsschlüssel des
EU-Anteils zur Unterstützung der Entwicklungsländer beschließen, Polen,
Rumänien, Bulgarien, Slowenien, Ungarn und Tschechien wollen aber nicht so
viel zahlen und drängten auf einen Rabatt, was aber abgelehnt wurde.
Die EU-Kommission hatte den weltweiten Klimaschutz-Finanzierungsbedarf für die Länder der Dritten Welt mit jährlich 100 Milliarden Euro bis 2020 beziffert, davon sollte die EU bis zu 15 Milliarden Euro aus öffentlichen Mitteln aufbringen. In einem Entwurf für die EU-Gipfelerklärung ist nur die globale Summe von 100 Milliarden Euro genannt.