Gerichtsurteil

Hammer-Urteil: von der Leyen gab zu wenig Infos zu Covid-Impfstoff

17.07.2024

Die EU-Kommission von Ursula von der Leyen hat nach einem Urteil des EU-Gerichts mit der Geheimhaltung von Informationen zu milliardenschweren Corona-Impfstoffverträgen gegen EU-Recht verstoßen. 

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Besonders in Hinblick auf mögliche Interessenkonflikte und Entschädigungsregeln für Impfstoff-Hersteller habe die EU-Behörde nicht ausreichend Zugang zu Dokumenten gewährt, entschieden die Richter in Luxemburg. Das Urteil kann vor dem Europäischen Gerichtshof angefochten werden.

Kommission will Urteil prüfen

Die EU-Kommission erklärte, sie werde das Urteil prüfen und behalte sich weitere rechtliche Schritte vor. Während der Pandemie hatte die EU-Kommission in den Jahren 2020 und 2021 im Namen der Mitgliedstaaten mit Pharmaunternehmen Verträge über Hunderte Millionen Dosen Impfstoff verhandelt und abgeschlossen. Das Vorgehen stand immer wieder in der Kritik, weil die Verträge nur teilweise öffentlich gemacht wurden oder weil es Verzögerungen bei der Lieferung des Impfstoffs gab. Unter anderem die Europäische Staatsanwaltschaft ermittelt in dem Zusammenhang.

Zugang zu den Verträgen  

2021 beantragten EU-Abgeordnete und Privatpersonen, Zugang zu den Verträgen zu bekommen. Die EU-Kommission unter Leitung von der deutschen CDU-Politikerin von der Leyen gewährte diesen aber nur teilweise. Die Kommission begründete ihr Vorgehen damit, dass so die kommerziellen Interessen der Konzerne geschützt werden sollten. Daher klagten Parlamentarier und Privatpersonen und bekamen nun teilweise Recht.

So wird argumentiert

Das Gericht in Luxemburg entschied nun, die EU-Kommission habe nicht nachgewiesen, dass der Zugang zu bestimmten Klauseln die kommerziellen Interessen der betroffenen Unternehmen beeinträchtigt hätte. Auch bei der Frage möglicher Interessenskonflikte im Verhandlungsteam der EU gab es Kritik des Gerichts: Hier hätte die Kommission mehr Einblick in die Erklärungen der EU-Vertreter geben müssen, in denen sie ihre Neutralität bekundeten. "Die Kommission hat nicht alle relevanten Umstände ausreichend berücksichtigt, um die in Rede stehenden Interessen angemessen abzuwägen", so das Gericht.

Entscheidungsfindungsprozess 

Die Kommission sollte nun offener sein in ihrem Entscheidungsfindungsprozess, forderte die Abgeordnete Kim van Sparrentak, eine der Klägerinnen. "Das Urteil ist wichtig für die Zukunft, weil die Kommission weitere gemeinsame Beschaffungen unternehmen wird in Bereichen wie Gesundheit und Verteidigung", sagte die niederländische Parlamentarierin, die der Fraktion der Grünen angehört. Die neue Kommission werde mit dem Urteil ihr Handeln entsprechend anpassen müssen, ergänzte sie mit Blick auf das neue Kolleg, das nach der Europawahl jetzt gebildet wird.

Kickl gegen von der Leyen

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird sich am morgigen Donnerstag im Europäischen Parlament zur Wiederwahl für eine zweite Amtszeit stellen. Dazu benötigt die 65-jährige CDU-Politikerin mindestens 361 Stimmen der insgesamt 720 Abgeordneten. Die Fraktionen von Europäischer Volkspartei (EVP), Sozialdemokraten und Liberalen haben sich bereits auf eine Wiederwahl von der Leyens verständigt. Zusammen kommen sie auf 401 Stimmen. Unklar ist allerdings, wie viele Abweichler es bei der Abstimmung geben könnte. Zudem ist offen, wie sich die rechtsgerichtete Fraktion EKR mit der Partei der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni verhalten wird, die 78 Mandate hält.

FPÖ-Chef Herbert Kickl sagte laut Aussendung, wer das Urteil ernst nehme, "der kann von der Leyen morgen keinesfalls zur EU-Kommissionspräsidentin wählen". Bis heute liege der gesamte Impfstoffdeal im Dunkeln. "Die Abgeordneten der FPÖ werden von der Leyen keine Stimme geben - ihre Wiederwahl wäre ein Verrat an der Selbstbestimmung der Völker Europas."

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