Kommission schlägt vor, im Notfall die Grenzkontrollen wieder einzuführen.
Die Revolten in Nordafrika drohen die Grundfesten der Europäischen Union zu erschüttern: Vor dem Innenministertreffen am 12. Mai wurden Pläne der EU-Kommission bekannt, wonach die wichtigste EU-Behörde im Notfall die Grenzkontrollen zwischen EU-Ländern wieder einführen will. Bisher hatten nur einzelne Staaten dieses Thema aufs Tapet gebracht.
Lampedusa: 2.000 Flüchtlinge in 24 Stunden
Anlass ist die Massenflucht aus Nordafrika in die EU-Länder am Mittelmeer. Die Menschen flüchten aus wirtschaftlicher Not. Auf der italienischen Insel Lampedusa kamen von Freitag auf Samstag binnen 24 Stunden 2.000 Menschen teils auf Schlauchbooten an.
Insgesamt 570.000 Menschen aus Nicht-EU-Ländern, so schätzt die Kommission, kamen im Jahr 2009 ohne Einreisebewilligung in die EU. 250.000 wurden wieder zurückgeschickt. Deutschlands Süddeutsche Zeitung zitiert aus dem Entwurf der EU-Kommission: Es soll „eine koordinierte und zeitlich begrenzte Wiedereinführung der Kontrolle der internen Grenzen“ zwischen Schengen-Staaten (siehe Info-Box) geben, „wenn einzelne Mitgliedsstaaten ihre Verpflichtungen zur Sicherung der Außengrenzen nicht erfüllen können oder wenn die Außengrenzen durch unerwartete Ereignisse gefährdet werden“.
ÖVP-Mikl-Leitner will keine Grenzkontrollen in der EU
Bei Österreichs ÖVP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner stößt der Vorschlag nicht auf ungeteilte Zustimmung: „Einem Hochziehen der Grenzen innerhalb der Europäischen Union stehe ich kritisch gegenüber“, so die Ministerin gegenüber ÖSTERREICH. Auch der Chef der ÖVP-EU-Parlamentarier, Othmar Karas, ist im ÖSTERREICH-Gespräch nicht begeistert: „Es ist schon jetzt möglich, Grenzkontrollen wieder einzuführen. In Österreich war das während der Fußball-Europameisterschaft der Fall. Aber das sind Ausnahmen. Grenzen lösen keine Probleme.“
Grenzschutz soll in Brüssel künftig geregelt werden
Wie die EU mit dem Ansturm auf die Grenzen umgehen wird, „das wird am 12. Mai beim Treffen der Innenminister der EU-Mitgliedsstaaten zu klären sein“, so Mikl-Leitner.
Die Stoßrichtung: Die Einzelstaaten sind überfordert, Grenzschutz soll zentraler geregelt werden. Erster Schritt: Die Grenzschützer Frontex sollen an der EU-Außengrenze verstärkt werden. Ein zentrales Register soll Personen erfassen, die in den Schengen-Raum einreisen. Mikl-Leitner: „Grundsätzlich muss es eine europäisch-einheitliche Lösung für das Problem geben.“
Ministerin Mikl-Leitner: Skepsis über Vorschlag
Die neue ÖVP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner ist nicht begeistert vom Vorschlag der EU-Kommission.
„Natürlich gibt es angesichts der Situation in Nordafrika verstärkte Polizeikontrollen im Grenzbereich, auch an den Außengrenzen der EU“, so die neue ÖVP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner gegenüber ÖSTERREICH. Dass ein Land allein ohne Rücksprache die Grenzen dichtmacht, kommt für sie nicht infrage: „Grundsätzlich muss es eine europäisch-einheitliche Lösung für das Problem geben. Das wird am 12. Mai beim Treffen der Innenminister der EU-Mitgliedsstaaten zu klären sein.“ Dabei warnt Mikl-Leitner: „Aber einem Hochziehen der Grenzen innerhalb der Europäischen Union stehe ich kritisch gegenüber.“ Im Klartext: Mit Wiedereinführung der Grenzkontrollen wäre einer der Grundwerte der Europäischen Union auch für die EU-Bürger bedroht: die Reisefreiheit.
K. Nagele