"Das Tempo der Erweiterung muss der Fähigkeit der Union zur Aufnahme neuer Mitglieder Rechnung tragen", heißt es in der Abschlusserklärung.
Die Europäische Union nimmt künftig einen vorsichtigeren Kurs bei der Erweiterung ein, hält aber ihre Zusagen an Kandidaten wie die Türkei und Kroatien und die Balkan-Staaten aufrecht. "Das Tempo der Erweiterung muss der Fähigkeit der Union zur Aufnahme neuer Mitglieder Rechnung tragen", heißt es in der Abschlusserklärung des EU-Gipfels in Brüssel vom Freitag. Die EU habe aber "keine neuen Kriterien" für Beitritte aufgestellt, sagte der finnische EU-Ratsvorsitzende Matti Vanhanen.
So wird die EU künftig den Beitrittsbewerbern kein Zieldatum mehr in Aussicht stellen, zu dem sie in die Union aufgenommen werden können. Außerdem sollen schwierige Verhandlungskapitel wie die Reform der Verwaltung und der Justiz früh behandelt werden. Die Kommission wird aufgefordert, im Laufe der Gespräche Folgenabschätzungen für die wichtigsten Politikbereiche vorzulegen. "Wir gehen einen anderen Weg als früher", betonte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V). Dieser sei "präziser", aber "kein Bremsmanöver". Künftig sollten die Ängste der Bürger stärker berücksichtigt werden, ebenso wie die strategische Bedeutung der Erweiterung und der Zusammenhalt der EU.
Kroatiens Beitritt "sichergestellt"
Die Zukunft des
westlichen Balkans liege in der Europäischen Union, bekräftigte der Gipfel.
Ihre harte Linie gegenüber Serbien, wonach Belgrad voll mit dem UNO-Tribunal
zusammenarbeiten muss, bevor Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und
Assoziierungsabkommen wieder aufgenommen werden können, hält die EU
aufrecht. Die Union fordert von Serbien die Auslieferung des wegen
Kriegsverbrechen angeklagten früheren Militärchefs der bosnischen Serben,
Ratko Mladic. Außenministerin Ursula Plassnik (V) sprach von "einem Signal
der Ermunterung" an Serbien, es dürften aber nicht unterschiedliche Maßstäbe
angelegt werden. Mit Kroatien solle die EU bereits nächste Woche drei
weitere Verhandlungskapitel eröffnen, sagte Schüssel. Kroatiens EU-Beitritt
sei mit den Gipfelbeschlüssen "sichergestellt". "
Der französische Staatspräsident Jacques Chirac sprach sich für die Fortsetzung der Türkei-Verhandlungen aus, nachdem die EU die Gespräche teilweise ausgesetzt hat. Er bekräftigte, dass Frankreich über jede künftige EU-Erweiterung nach dem Beitritt Kroatiens ein Referendum abhalten werde. Auch Schüssel bekräftigte, dass eine Volksabstimmung in Österreich zum Türkei-Beitritt in einem Koalitionsabkommen mit der SPÖ verankert werden soll. Die Benelux-Staaten haben laut dem luxemburgischen Premier Jean-Claude Juncker zur Erweiterung "einen ehrgeizigeren Text" vorgeschlagen, der die Notwendigkeit von Reformen in der EU stärker in den Vordergrund gerückt hätte. Der jetzige Beschluss zeichne sich nun durch "konstruktive Zweideutigkeit" aus, kritisierte Juncker.
Stichwort legale Zuwanderung
Die Zusammenarbeit bei der legalen
Zuwanderung will die EU 2007 "in voller Achtung nationaler Zuständigkeiten"
weiter entwickeln, um die EU-Staaten bei ihren Arbeitsmarkt-Bedürfnissen
besser zu unterstützen. "Wir haben noch keine Einigung aber eine Zeitplan",
erläuterte Schüssel. Bis 2010 solle es eine gemeinsame Asylpolitik in der EU
geben, bereits 2007 sollten die Aktivitäten gegen illegale Einwanderung
vergrößert werden unter anderem durch eine Verstärkung der
EU-Grenzschutzagentur Frontex. "Ich habe kritisiert, dass das alles so lange
dauert", sagte der Kanzler.
Die EU-Staaten hätten sich auch auf ein Vertiefen des Dialogs mit Drittstaaten verständigt, sagte Ratspräsident Vanhanen. Als Teil ihrer künftigen "umfassenden europäischen Migrationspolitik" will die EU im kommenden Jahr einen großen Gipfel mit den Staaten der Afrikanischen Union abhalten. EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso sagte, die Migrationspolitik werde auf dem EU/Afrika-Gipfel unter portugiesischem Ratsvorsitz in der zweiten Jahreshälfte 2007 ein "Schlüsselthema" sein.