Parlament sagt Ja
EU-Vertrag nimmt in Prag erste Hürde
18.02.2009
Der EU-Vertrag hat das tschechische Parlament passiert. 125 Abgeordnete waren dafür. Jetzt fehlt noch der Senat - und die Unterschrift von Klaus.
Im derzeitigen EU-Ratsvorsitzland hat der EU-Reformvertrag eine wichtige Hürde genommen: Das tschechische Abgeordnetenhaus billigte den Vertrag am heutigen Mittwoch. Für das Dokument stimmten 125 Parlamentarier, 61 waren dagegen. Der Vertrag wurde somit mit der erforderlichen Drei-Fünftel-Verfassungsmehrheit angenommen. Nötig wären 120 Ja-Stimmen in der 200-köpfigen Parlamentskammer gewesen. "Das Abgeordnetenhaus erteilt die Zustimmung zur Ratifizierung des Lissabon-Vertrages", heißt es in dem Beschluss.
Streit um Benes-Dekrete
Unterstützung für den Vertrag kam von
den oppositionellen Sozialdemokraten (CSSD) und den Regierungsparteien der
Christdemokraten (KDU-CSL), Grünen und einem Teil der konservativen
Demokratischen Bürgerpartei (ODS) von Premier Mirek Topolanek. Der andere
Teil der ODS und die Kommunisten (KSCM) lehnten das Dokument ab. Eines der
Gegenargumente war, dass der Lissabon-Vertrag die Frage der Benes-Dekrete
wieder öffnen könnte. Rund drei Millionen Deutschsprachige, die nach dem
Zweiten Weltkrieg aus der damaligen Tschechoslowakei vertrieben worden
waren, könnten Wiedergutmachung und die Rückgabe des einstigen Eigentums
fordern, befürchten Kritiker.
Senat und Klaus nun am Zug
Tschechien war das letzte der 27
EU-Länder, in dem das Parlament dem Vertrag noch zustimmen musste. Mit der
Billigung im Abgeordnetenhaus ist der Ratifizierungsprozess in Tschechien
aber noch nicht beendet. Er wird noch Monate dauern. Auch die zweite
Parlamentskammer - der Senat - muss sich zu dem EU-Reformvertrag äußern, was
für April vorgesehen ist. Zum Schluss ist noch die Unterschrift des
Staatspräsidenten Vaclav Klaus erforderlich. Dieser ist ein strikter
Kritiker des EU-Reformvertrags und hatte bereits früher angedeutet, dass er
diesen - wenn überhaupt - nicht vor einem zweiten Referendum in Irland
unterzeichnen werde.
Der für EU-Fragen zuständige tschechische Vizepremier Alexandr Vondra zeigte sich unterdessen zuversichtlich über eine Ratifizierung des Lissabon-Vertrags durch sein Land. "Wir werden ihn ratifizieren", meinte Vondra bei einem Pressefrühstück am Mittwoch in Brüssel. "Am Ende des Tages gibt es die Stimme der Vernunft und des Herzens."
Irland
Alle 27 EU-Mitgliedsländer müssen dem Reformvertrag
zustimmen, damit er in Kraft treten kann. Außer Tschechien fehlt noch ein
"Ja" aus Irland. Auf der Insel wird das Volk wahrscheinlich im Oktober
dieses Jahres zum zweiten Mal über den Vertrag abstimmen. In Deutschland ist
die Ratifizierung wegen eines offenen Verfahrens vor dem
Bundesverfassungsgericht noch nicht abgeschlossen. In Polen zögert
Staatspräsident Lech Kaczynski mit der Unterschrift. Das Regelwerk soll die
EU nach der größten Erweiterung ihrer Geschichte arbeitsfähiger machen.