Ein in Österreich lebender Exil-Chilene spricht im ÖSTERREICH-Interview über Pinochets Tod und seine Erlebnisse während seines Regimes.
ÖSTERREICH: Sie mussten vor 30 Jahren Chile verlassen, weil Sie vom
Pinochet-Regime verfolgt wurden. Was empfinden Sie heute einen Tag nach dem
Tod des Ex-Diktators?
Erick Zott: Ich habe gemischte Gefühle. Ich
bin nicht die Person, die über den Tod von jemandem jubelt - obwohl die
Pinochet-Zeit die schlimmste war, die Chile je erlebt hat. Priorität für
mich hat, dass Pinochet für seine Taten leider nie verurteilt wurde.
ÖSTERREICH: Verstehen Sie Menschen, die jetzt jubeln?
Erick
Zott: Ja, das verstehe ich schon. Das ist fast unvermeidlich sowohl für die
ältere und die ganz junge Generation: Pinochet hat eine symbolische negative
Bedeutung. Deswegen hat sich in Chile vergangenen Nacht so etwas wie ein
Karneval entwickelt: Auch mit dem schwarzem Humor und den Parolen, die
skandiert wurden.
ÖSTERREICH: In Spanien feierten Exil-Chilenen ebenfalls Pinochets Tod.
Gibt es in Österreich ähnliche Veranstaltungen?
Erick
Zott: Es gibt heute zumindest ein Treffen der Chilenen im Café „Amerika
Latina“. Da wird der Tod Pinochets auch ein Thema sein. Vielleicht wird
nicht gefeiert, aber für viele Menschen ist das doch eine gute Nachricht.
ÖSTERREICH: Warum wurden Sie unter Augusto Pinochet verfolgt?
Erick
Zott: Ich war als Student in Conceptión, der drittgrößten Stadt
Chiles, auf Seiten von Präsident Salvador Allende politisch engagiert.
Dadurch war ich auf der Uni relativ bekannt. Unmittelbar nach dem Putsch
wurde ich gesucht. Ich bin in den Untergrund gegangen und hab dort fast zwei
Jahre gelebt und mich auch in der Widerstandsbewegung engagiert. Im Jänner
1975 wurde ich vom Geheimdienst DINA verhaftet. Im Laufe von fast zwei
Jahren war ich in 36 verschiedenen Geheimlagern oder Gefängnissen, unter
anderem in der Colonia Dignidad.
ÖSTERREICH: Wie haben Sie die Haft in Chile erlebt?
Erick
Zott: Wir wurden in keinem der Gefängnisse sanft behandelt, aber schlimmer
als Colonia Dignidad war keines.
ÖSTERREICH: Wurden Sie auch Opfer von Folterungen?
Erick
Zott: Ja. Trotzdem habe ich habe Glück gehabt. Von der Gruppe, in der ich
engagiert war, sind neun Personen verschwunden, drei wurden getötet.
Überlebt haben nur zwei.
ÖSTERREICH: Wie kamen Sie wieder frei?
Erick Zott: Ich wurde
nicht freigelassen, aber Ende 1976 ausgebürgert. Die UNO hat damals starken
Druck auf die Pinochet-Regierung ausgeübt. Es wurde damals mehrere
politische Gefangene ausgewiesen, aber eben nicht freigelassen. Deswegen
durften wir bis 1990, bis zum Ende der Pinochet-Herrschaft, nicht nach Chile
zurückkehren.
ÖSTERREICH: Und danach sind Sie wieder nach Chile gefahren?
Erick
Zott: Ja, aber das war sehr schwer. Ich habe mehrer Tage gebraucht, um das
zu verkraften. Und ich habe gemerkt, dass ich gar nicht mehr sagen kann, ob
Chile oder Österreich meine Heimat ist.
ÖSTERREICH: Haben Sie hier in Österreich Kontakt zu anderen Exil-Chilenen?
Erick
Zott: In den ersten fünf, zehn Jahren waren wir geschlossener und hatten
mehr Kontakt. Viele haben im elften Bezirk gelebt. Das war dort wie eine
Kolonie. Aber mit der Zeit ist der Kontakt loser geworden.
ÖSTERREICH: Wie geht es Ihnen heute in Österreich?
Erick
Zott: In Österreich fühle ich mich wohl, weil ich relativ privilegiert bin.
Ich schaue nicht unbedingt aus wie ein Südländer, habe also kaum Probleme
mit rassistischen Anfeindungen. Außerdem mache ich etwas, das mir gefällt.
Außer meinem normalen Job habe ich ein ausgezeichnetes Hobby, die Salsa-Bar
„Floridita“. Und die betreibe ich mit voller Freude. Im Vordergrund steht
für mich nicht die ökonomische Seite. Ich möchte damit einen Teil von
unserer Kultur in Österreich verbreiten.