Die Tiraden Gaddafis überforderten ihn: Der Dolmetscher kollabierte.
Der libysche Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi sorgte in New York für gewaltiges Aufsehen. Nachdem sich die Aufregung um sein Zelt, das er im Central Park aufstellen wollte, etwas gelegt hatte, sorgte seine Rede vor den Vereinten Nationen für neuen Wirbel - und einen Eklat.
Dolmetscher kollabierte
Für die Übersetzung brachte er eigens
einen Dolmetscher aus Libyen mit - ein klarer Bruch mit der Tradition am
East River, wo 25 Arabisch-Dolmetscher zur Verfügung stehen. Der nun aus
Libyen Mitgenommene war vollkommen überfordert mit der Rede seines Chefs:
"Ich kann nicht mehr", röchelte der Gaddafi-Vertraute nach einer Stunde ins
Mikrophon - und kollabierte laut New York Post. Dann übernahm der Leiter der
Arabischen-Dolmetscher-Abteilung der UN den Job.
Billionen-Dollar-Forderung
Gaddafi hatte vor den UN unter anderem
7,77 Billionen Dollar (rund 5,26 Billionen Euro) für Afrika als
Entschädigung für die Kolonialzeit gefordert. Wenn die westlichen Länder
nicht zahlten, würden sich die Afrikaner das Geld zurückholen, sagte Gaddafi
am Mittwoch vor der UNO-Vollversammlung in New York. Er spreche "im
Namen von tausend afrikanischen Königreichen", erklärte der
libysche Revolutionsführer, der bei seiner ersten Rede während einer
Generaldebatte der Vereinten Nationen ein sandfarbenes Gewand mit einem
Anstecker in der Form des afrikanischen Kontinents trug.
Charta zerrissen
Dann warf der libyische Revolutionsführer den
UN vor, ihre eigene Charta zu brechen. In der Präambel sei vorgeschrieben,
dass alle Länder unabhängig von ihrer Größe gleichberechtigt seien, sagte
Gaddafi am Mittwoch in einer Rede vor den Spitzenpolitikern der 192
Mitgliedsländer. Dennoch seien die meisten Staaten nicht im fünfzehnköpfigen
Sicherheitsrat vertreten, die fünf Vetomächte hätten das alleinige Sagen. "Das
akzeptieren wir nicht, und das erkennen wir nicht an", sagte er
sichtlich erregt, hielt ein Exemplar der Charta hoch und zerriss einige
Seiten.
Radikale Lösungen
Libyens staatliche Nachrichtenagentur
JANA hatte schon am Vortag angekündigt, Gaddafi werde der
UNO-Vollversammlung "radikale Lösungen vorschlagen, die diese
Organisation in ihren Grundfesten erschüttern werden". Libyen hat
in diesem Sitzungsjahr, das in der vergangenen Woche begonnen hat,
turnusgemäß den Vorsitz.
Obama will Probleme gemeinsam schultern
US-Präsident
Barack Obama hatte zuvor in seiner ersten Rede vor der UNO die
Staatengemeinschaft aufgerufen, die weltweiten Probleme gemeinsam zu lösen. "Das
kann nicht allein die Aufgabe Amerikas sein", sagte er am Mittwoch vor
der Vollversammlung und warb für eine neue Partnerschaft.
"Diejenigen, die Amerika üblicherweise für seine Alleingänge in der Welt gescholten haben, können nun nicht darauf warten, dass Amerika die Probleme der Welt allein löst", spielte Obama auf die Politik seines Vorgängers George W. Bush an: "Jetzt ist es Zeit für uns alle, unseren Teil der Verantwortung zu übernehmen für eine globale Antwort auf die globalen Herausforderungen."
Um eine friedliche und prosperierende Zukunft zu sichern, seien vier Voraussetzungen notwendig, erklärte Obama: die nukleare Abrüstung, die Förderung von Frieden und Sicherheit, die Rettung der Erde und die Sicherung einer Weltwirtschaft, die allen Menschen eine Chance biete. Diese vier Säulen müssten "die Leitlinien der internationalen Zusammenarbeit" sein.