Lokalaugenschein in Scheveningen: Im Gefängnis des niederländischen Seebades sitzt Radovan Karadzic ein - inmitten von Villen und Dünen.
Eine endlose, grüne Dünenlandschaft auf der einen Seite, Luxusvillen zwischen schattigen Bäumen auf der anderen - ohne die hohe Mauer wäre Radovan Karadzics neue Adresse in Scheveningen nicht die schlechteste in den Niederlanden. Hinter der Mauer aber liegt das "huis van bewaring": ein großer Gefängniskomplex, in dem die Vereinten Nationen Zellen für die Angeklagten ihrer Kriegsverbrechertribunale gemietet haben. Auch als jetzt wohl prominentester Gefangener muss sich der ehemalige politische Führer der bosnischen Serben dort auf ein eher bescheidenes Leben hinter Gittern einstellen.
Das Gefängnis (United Nations Detention Unit) dient dem UNO-Kriegsverbrechertribunal für Ex-Jugoslawien (ICTY) und dem Internationalen Strafgerichtshof. Scheveningen besitzt eine lange Strandpromenade mit Geschäften, Restaurants und Sonnenterrassen und ist vom Zentrum Den Haags über mehrere Straßenbahnlinien erreichbar.
Kein Einblick möglich
Das Tribunal gewährt Außenstehenden
keinen Einblick in sein Miet-Gefängnis, das allerdings regelmäßiger
Überprüfung durch das Rote Kreuz unterliegt. Mit einer Kapazität von bis zu
84 Gefangenen beherbergt es ausschließlich ältere Herren, die schwere
Kriegsverbrechen begangen haben sollen. Sie warten noch auf das Ende ihres
Verfahrens und gelten so lange als unschuldig. Rechtskräftig Verurteilte
werden abgeschoben in eines der 13 Länder, die den Strafvollzug für das
UNO-Tribunal übernommen haben.
Computer, Spiele, Besuche
Die Zellen - die Gefangenen sind
einzeln untergebracht - sind schlicht. Es gibt Computer, aber ohne Internet.
Spiele zum Zeitvertreib stehen zur Verfügung, es gibt täglich eine Stunde
Freigang im Innenhof. Die medizinische Versorgung gilt als gut - schwere
Fälle werden in einem Haager Krankenhaus behandelt. Am frühen Abend fällt
der Riegel ins Schloss. Besuche sind möglich, in einigen Fällen haben aber
die Niederlande Visa verweigert.
Warten auf den Prozess
Karadzic wird dieses trotz frischer
Seeluft eher triste Dasein eine ganze Weile fristen müssen. Zwar wird er in
Kürze in einem Kleinbus mit verdunkelten Scheiben erstmals in das nur wenige
Kilometer entfernte Gerichtsgebäude gebracht. Dann kann er vor einem Richter
schon sagen, ob er auf schuldig oder unschuldig plädiert. Doch danach
beginnt das lange Warten auf den Prozessbeginn.