500.000 bei Demo
Geistlicher stellt Irans System in Frage
17.06.2009
Ein ranghoher Geistlicher spricht davon, dass das herrschende System keine politische und religiöse Legitimation mehr hat. Twitter verschiebt auf Intervention des US-Außenministeriums Wartungsarbeiten.
Zehntausende von Oppositionsanhängern haben am Mittwoch in Teheran erneut gegen das Ergebnis der Präsidentenwahl demonstriert und der Regierung Wahlbetrug vorgeworfen. Anhänger des unterlegenen Oppositionskandidaten Mir-Hossein Moussavi blockierten im Zentrum der Hauptstadt Straßen und Plätze und forderten eine Wiederholung der Wahl. Nach Augenzeugenberichten trugen sie grüne und schwarze Kleidung - Grün als Farbe der Opposition, Schwarz zum Zeichen der Trauer für die in den Vortagen ums Leben gekommenen Demonstranten.
Fünfter Tag in Folge
Augenzeugen schätzten die Zahl der
Teilnehmer auf mehr als 100.000. Ein massives Polizeiaufgebot sicherte die
Innenstadt. Es war der fünfte Tag in Folge, an dem die Opposition gegen den
erzkonservativen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad und dessen offiziellen
Wahlsieg demonstrierte. Am Mittwoch kam es zunächst zu keinen größeren
Zwischenfällen. Viele erhoben die Hände immer wieder zum Friedenszeichen.
Unterstützung wächst
Nach Angaben aus der Opposition
wächst die Unterstützung durch die Bevölkerung täglich. Die Demonstranten
wurden am Mittwoch von Anrainern mit Mineralwasser versorgt. Sprecher der
Opposition hatten dazu aufgerufen, Ahmadinejad nicht mit beleidigenden
Äußerungen zu provozieren.
Geistlicher Führer
Indes stellte sich auch der ranghöchste
Geistliche der Opposition hinter die Protestbewegung. Großayatollah Hossein
Ali Montaseri sagte auf seiner Internet-Seite, das herrschende islamische
System habe wegen Betrugs keine politische und religiöse Legitimation mehr.
Das von der Regierung präsentierte Ergebnis mit dem Erdrutschsieg von
Amtsinhaber Ahmadinejad könne "niemand bei vollem Verstand"
akzeptieren.
Fußballer zeigen Farbe
Spieler der iranischen
Nationalmannschaft sind beim WM-Qualifikationsspiel am Mittwoch gegen
Südkorea in Seoul mit grünen Armbändern aufgelaufen. Grün ist die Farbe des
iranischen Oppositionsführers Mir Hussein Moussavi, dessen Anhänger eine
Wiederholung der Präsidentschaftswahl vom vergangenen Freitag erreichen
wollen.
Zensur umgangen
Die Demonstration mit grünen Schweißbändern, an
der sich nicht alle Spieler beteiligten, wurde im Iran als sensationelle
Parteinahme gewertet. Viele Millionen Menschen in dem fußballbegeisterten
Land verfolgten die Partie live im Fernsehen. Mit grünem Band wurden unter
anderem der Frankfurter Bundesliga-Profi Mehdi Mahdavikia und der frühere
Bayern-Spieler Ali Karimi gesehen.
Twitter verschiebt Wartung
Angesichts der Bedeutung der
Onlinemedien für die Information der Weltöffentlichkeit über die Ereignisse
im Iran intervenierte das US-Außenministeriums beim Kurznachrichtendienst
Twitter. Dieser verschob auf Wunsch des Außenministeriums geplante
Wartungsarbeiten, wie mehrere Gewährsleute am Dienstag in Washington
berichteten.
Der vom obersten Geistlichen Führer im Iran, Ayatollah Ali Khamenei, mit der Überprüfung des Wahlergebnisses beauftragte Wächterrat wird nach Auffassung des iranischen Botschafters in Berlin erst in rund zehn Tagen eine offizielle Erklärung zum Ergebnis der Präsidentschaftswahl abgeben.
Laut dem offiziellen Ergebnis hat Amtsinhaber Mahmud Ahmadinejad die Wahl klar gewonnen. Das bestreiten jedoch die Anhänger des reformorientierten Kandidaten Moussavi. Am Dienstag waren in Teheran mehrere tausend Anhänger beider Lager in getrennten Kundgebungen auf die Straße gegangen.
Für Obama sind beide gleich schlimm
US-Präsident Barack
Obama vermied es unterdessen, in dem Konflikt Partei zu ergreifen. Für ihn
sei der Unterschied zwischen Ahmadinejad und Moussavi nicht so groß wie
dargestellt, sagte er dem US-Sender CNBC. Unabhängig vom tatsächlichen
Ausgang der Präsidentenwahl müsste man "in beiden Fällen mit
einem Regime umgehen, das den Vereinigten Staaten seit längerer Zeit
feindlich gesinnt ist".