Höchstes UNO-Gericht
Georgien-Russland-Konflikt ab heute vor IGH
08.09.2008
Tiflis wirft Moskau Massenvertreibungen vor - Moskau reagiert mit einer Klage vor dem IStGH. Auch die EU verhandelt wieder mit Russland.
Nach dem vorläufigen Ende ihrer bewaffneten Kämpfe setzen Georgien und Russland ihren Streit um die Provinzen Abchasien und Südossetien vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag fort. Der IGH - als oberstes Rechtsprechungsorgan der UNO - berät ab Montag über eine Klage aus Tiflis. Demnach terrorisiere Russland in den beiden abtrünnigen Gebieten Menschen georgischer Abstammung mit Methoden der "ethnischen Säuberung" und treibe sie in die Flucht.
Massenvertreibung
Moskau strebe eine "Massenvertreibung der
ethnisch georgischen Bevölkerung aus Südossetien, Abchasien und benachbarten
Gebieten" an, heißt es in der Beschwerde. Der IGH soll nach den
Vorstellungen Georgiens Maßnahmen verfügen, damit kein Georgier derartigen "gewalttätigen
Akten von rassistischer Diskriminierung ausgesetzt ist". Moskau hat
diese Vorwürfe stets bestritten.
Völkermord
Die Klage bezieht sich auf Vorfälle von 1993 bis
2008 und stützt sich auf das internationale Abkommen zur Beseitigung der
Rassendiskriminierung aus dem Jahr 1965. Dieses verbietet unter anderem jede
Benachteiligung von Menschen aufgrund ihrer Rasse oder ethnischen Herkunft.
Eventuell erweitert Georgien die Klage sogar um den erheblich schwereren
Vorwurf des Völkermords.
Empfehlung
In den Vorverhandlungen können die Juristen der
beiden Konfliktstaaten u.a. Anträge zu Verfahrensfragen und zur Beweislage
stellen. Mit einer Entscheidung der Richter wird erst nach mehreren Wochen
gerechnet. Das 1945 gegründete Gericht kann in Streitfragen zwischen Staaten
auf Basis des Völkerrechts entscheiden, letztlich aber nur, wenn die
betreffenden Regierungen es akzeptieren.
Unverbindlich
Zudem erstellt der Gerichtshof juristische
Gutachten für die UNO. Sie haben aber keine völkerrechtlich bindende
Wirkung. Das Gericht wird deshalb immer wieder als "machtlose Instanz"
kritisiert. Zwar können diese Expertisen Grundlage verbindlicher Beschlüsse
des Weltsicherheitsrates werden. Allerdings kann Russland als ständiges
Mitglied des Rats jede Vorlage durch ein Veto zu Fall bringen.
Gegenstrategie
Moskau wird seinerseits dem ebenfalls in Den Haag
ansässigen Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) Belege für georgische
Kriegsverbrechen gegen russische Staatsbürger in Südossetien vorlegen.
Russland unterstützt die Separatisten in den beiden Regionen, die sich
Anfang der 90er Jahre von Georgien abgespalten haben. International sind
diese Gebiete nicht anerkannt.
Sarkozy mit Medwedew zusammengetroffen
Frankreichs Präsident
Nicolas Sarkozy ist in Moskau mit Kremlchef Dmitri Medwedew zu Gesprächen
über die Lage im Konfliktgebiet Südkaukasus zusammengetroffen. Medwedew
empfing den amtierenden EU-Ratsvorsitzenden sowie EU-Chefdiplomat Javier
Solana und Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso am Montag in Schloss
Meiendorf bei Moskau.
Die EU-Führung wollte Russland zu einem vollständigen Truppenabzug aus georgischem Kerngebiet drängen.
Belagerung
Der Konflikt zwischen Tiflis und Moskau eskalierte
Anfang August, als Georgien versuchte, die Kontrolle über Südossetien
wiederzuerlangen. Russland schlug die Militäraktion zurück und griff auch
Ziele nahe der Hauptstadt Tiflis an. Russische Truppen sind weiterhin in
einem von Russland als Pufferzone bezeichneten Gebiet im georgischen
Kerngebiet stationiert.