Gesundheitsreform
Hasstiraden gegen Obama
18.08.2009
Plakate bei Demonstrationen gegen Gesundheitsreform zeigen US-Präsident mit Hitler-Bart.
Gejohle, irrwitzige Anschuldigungen, Hetze: Die Diskussion über eine Gesundheitsreform in den USA nimmt Züge eine erbitterten Glaubenskriegs an. Politiker der Demokraten, die in den Parlamentsferien daheim in ihren Wahlkreisen für das Prestigeprojekt Präsident Barack Obamas werben, sehen sich Bürgern außer Rand und Band gegenüber. Sie werden niedergebrüllt, wahlweise als Kommunisten oder Nazis beschimpft, das Büroschild eines Abgeordneten wurde mit einem Hakenkreuz beschmiert.
Die Debatte um die Gesundheitsreform spaltet das Land. Obama-Unterstützer
demonstrieren in Phoenix. (c) AP
Die ausartenden Debatten zeigen, wie schwer es für die Regierung ist, die zunehmend skeptische Öffentlichkeit von ihrem kostspieligen Großvorhaben zu überzeugen. Ziel ist es, die Kostenexplosion zu bremsen und den beinahe 50 Millionen Amerikanern, die ohne Krankenversicherung dastehen, einen erschwinglichen Versicherungsschutz zu ermöglichen. Das Weiße Haus hat eine Webseite eingerichtet, um den Vorwürfen zu kontern. Ein eigenes "Lagezentrum" der Demokraten im Abgeordnetenhaus bietet den Parlamentariern Argumentationshilfen.
Bei einer Diskussionsveranstaltung in Lebanon im US-Staat Pennsylvania wurde Senator Arlen Specter von aufgebrachten Rednern vorgeworfen, auf ihren verfassungsmäßigen Rechten herumzutrampeln, den Schuldenberg zu erhöhen und zuzulassen, dass die Bürokraten das Gesundheitswesen kapern. "Wenn es Sie nicht mehr gibt, wird es, bei Gott, die Bürokraten immer noch geben!", erregte sich einer. "Meine Kinder und Enkelkinder werden dafür zahlen müssen", ärgerte sich ein anderer. "Eines Tages wird Gott vor Euch stehen und Euch richten!", schrie ein Mann.
Büroschild mit Hakenkreuz besprüht
In Smyrna in
Georgia fand der Abgeordnete David Scott sein Büroschild mit einem
Hakenkreuz besprüht vor. Per Post wurde er als "Nigger"
beschimpft und Obama als Marxist bezeichnet. "Wir müssen dafür sorgen,
dass das Hakenkreuzsymbol nicht siegt, dass der aufkommende Rassenhass nicht
diese Auseinandersetzung gewinnt", warnte er. "Das kocht da alles
hoch. Da herrscht dermaßen Hass auf Obama."
In Hillsboro in Missouri musste sich Senatorin Claire McCaskill aggressiver Fragen zur Gesundheitsversorgung von Kriegsveteranen, Senioren und Einwanderern und nach Abtreibungen erwehren und sich anhören, man traue ihr einfach nicht. "Ich verstehe diese Grobheit nicht", hielt sie dem Publikum entgegen. "Ich begreife es ehrlich nicht." Eine Teilnehmerin erwiderte, die Politiker müssten den Bürgern schon Gelegenheit geben, ihren Unmut über den Reformplan zu äußern. "Wenn wir unseren Frust nicht rauslassen dürfen, dann gibt es eine Revolution!"
Senator Specter sagt, er habe so etwas wie diese wüsten Attacken in seiner ganzen langen politischen Karriere noch nicht erlebt. "Heute gibt es in Amerika mehr Zorn als zu irgendeiner Zeit, an die ich mich erinnern kann."