Afrika-Katastrophe

Hat der Westen in Kenia versagt?

02.01.2008

Es gab immer wieder Warnsignale für eine sich vertiefende gesellschaftliche Krise. Nun fordert der Westen: "Versöhnt euch!"

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© EPA/BONIFACE MWANGI
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Die Bilder erinnern an grausame Bluttaten, wie sie so nur allzu oft in Ländern der Nachbarschaft verübt wurden. Burundi, Kongo, Uganda, Somalia, ganz zu schweigen vom Völkermord in Ruanda. Doch Kenia galt immer als nettes Strand- und Safari-Ländle. Afrikanisch zwar, aber irgendwie nicht in Afrika. Nun schrecken Berichte über verbrannte Menschen, die in einer Kirche Schutz gesucht hatten, die Welt auf. Ermordet wurden sie allein dafür, dass sie Kikuyu waren - also dem Volk des Präsidenten Mwai Kibaki angehörten, dem Oppositionsführer Raila Odinga vom Volk der Luo wohl nicht zu Unrecht vorwirft, Kenias Wahlen gefälscht zu haben.

Angst vor "kenianischer Katastrophe"
Hektisch wird nun zwischen Regierungen in westlichen Hauptstädten - und von dort mit den Kontrahenten in Kenia - telefoniert. "Versöhnt Euch!", lautet die Forderung an Kibaki und Odinga. Gordon Brown, der Premierminister der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien, brachte sogar den Vorschlag einer Regierung der nationalen Einheit ins Spiel. Nichts wäre peinlicher für die Afrika-Politik des Westens, die im letzten Sommer beim G-8-Gipfel neu beschworen wurde, als eine sich ausweitende "kenianische Katastrophe".

Versinkt der "Schwarze Kontinent"
Dass die tatsächlich droht, dass selbst das Urlauberparadies Kenia wie vorher viele andere Staaten des "Schwarzen Kontinents" im Chaos versinken könnte, hat Kenias Polizeisprecher Eric Kirathi unfreiwillig, aber eindrucksvoll deutlich gemacht: "Dies ist das allererste Mal", sagte er sichtlich erschrocken, "dass eine Gruppe der Bevölkerung bei uns eine Kirche angegriffen hat. Eine derartige ungezügelte Brutalität hätten wir hier niemals erwartet."

Ein Land am Rande des Abgrunds
Dennoch kann es Kenia-Kenner im Westen kaum überraschen, dass das Land am Rande des Abgrunds steht. Es gab immer wieder Warnsignale für eine sich vertiefende gesellschaftliche Krise. Doch sie fanden nie das Ausmaß an Beachtung, das sich besorgte kenianische Intellektuelle und Patrioten wie der Journalist John Githongo gewünscht hatten.

"Fette Katzen" bereichern sich an der Mehrheit
Er hatte seine Stimme schon zu Zeiten des Kibaki-Vorgängers Daniel arap Moi gegen die maßlose Bereicherung einer kleinen Schicht "fetter Katzen" in Kenia auf Kosten der bettelarmen übergroßen Mehrheit erhoben. Weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt heute - mehr als vier Jahrzehnte nach der Unabhängigkeit - unterhalb der Armutsgrenze.

Anfangs hatte Kibaki, der vor seiner ersten Wahl im Dezember 2002 den Kampf gegen die Korruption versprach, sich mit Männern wie Githongo geschmückt. Er machte ihn zum Chef einer neuen Anti-Korruptions-Behörde. Drei Jahre später floh Githongo, der wie Kibaki dem Kikuyu-Volk angehört, vor seiner eigenen Regierung nach London.

Unterlagen enthüllen Ausmaß der Korruption
Was er mitbrachte, waren Unterlagen, die das Ausmaß der korrupten Machenschaften auch unter Kibaki enthüllten. Er hoffte, dass die sogenannten Geberländer die Notbremse ziehen, der Regierung in Nairobi den Geldhahn zudrehen und ultimativ eine Austrocknung des Korruptionssumpfes sowie mehr soziale Gerechtigkeit verlangen würden. Doch Politiker im Westen begnügten sich mit starken Worten und symbolischen Gesten. "Sie glaubten nicht, dass eine Kraftprobe mit Kenias Baronen der Korruption letztendlich in ihrem Interesse stehen würde", schrieb der Afrika-Kenner Michael Holman am Mittwoch in der Londoner "Financial Times".

Kenias Herrscher immer Verbündete im Krieg gegen Terrorismus
Als Hauptgrund sieht er wie viele andere politische Beobachter, dass Kenias Herrscher - wie korrupt und menschenverachtend sie auch sein mögen - es stets verstanden, sich unter Hinweis auf radikal-islamische Gefahren in Somalia und anderen Ländern der Region als "Verbündete im Krieg gegen den Terrorismus" anzudienen. "Angesichts der langfristigen Militärabkommen der USA und Großbritanniens mit Kenia", so Holman, habe der Westen nicht gefährden wollen, was er als "Insel der Stabilität" angesehen habe. Nun fragen sich viele, ob die Insel nicht doch untergehen könnte.

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