Libanon
Hunderttausende gedenken des Hariri-Mordes
14.02.2008
Hunderttausende Libanesen haben in Beirut des Hariri-Mordes gedacht. Der Zedernstaat sucht die Attentäter- und einen Präsidenten.
Hunderttausende Libanesen haben am Donnerstag bei strömendem Regen im Zentrum von Beirut der Ermordung ihres früheren Regierungschefs Rafik Hariri vor drei Jahren gedacht. Gleichzeitig wurden im schiitischen Süden der Hauptstadt die letzten Vorbereitungen für die Beisetzung des in Syrien ermordeten Hisbollah-Führers Imad Moughniyah getroffen, der als Top-Terrorist gegolten hat. Er war in Damaskus einem Sprengstoffanschlag zum Opfer gefallen. Um Konfrontationen zu vermeiden, sollte die Hariri-Gedenkkundgebung vor Beginn der Trauerfeier für Moughniyah enden, an der auch der iranische Außenminister Manouchehr Mottaki teilnimmt.
Wahl des Staatspräsidenten bereits 14 Mal verschoben
Die
Chefs der antisyrischen Mehrheitskoalition riefen zur sofortigen Abhaltung
der bereits 14 Mal verschobenen Präsidentenwahl auf. Hariris "Märtyrerblut"
werde "die Despoten vernichten", sagte Drusenführer und Chef der
Sozialistischen Fortschrittspartei, Walid Joumblatt, der an der Seite von
Hariris Sohn Saad die Demonstranten anführte. Rafik Hariri war am 14.
Februar 2005 zusammen mit 22 weiteren Personen in Beirut Opfer eines
Bombenattentats geworden. Als Drahtzieher werden syrische Geheimdienstkreise
vermutet. Der Mord löste anhaltende Massenproteste - die "Zedernrevolution"
- aus, Syrien musste daraufhin seine Militärpräsenz als Ordnungsmacht in dem
kleinen Nachbarland nach fast drei Jahrzehnten beenden.
Hisbollah ruft zum Krieg gegen Israel auf
Der Führer der
libanesischen Schiitenbewegung Hisbollah, Hassan Nasrallah, hat Israel den
"offenen Krieg" erklärt. Wenn "die Zionisten" diese Form des Krieges
wollten, dann solle es die ganze Welt wissen: "Lasst uns den offenen Krieg
führen", sagte Nasrallah am Donnerstag im Süden von Beirut bei den
Beisetzungsfeierlichkeiten für das Hisbollah-Gründungsmitglied Imad
Moughniyah, das am Dienstag bei einem Sprengstoffanschlag in Damaskus ums
Leben gekommen war. An dem "Heldenbegräbnis" nahm auch der iranische
Außenminister Manouchehr Mottaki teil.
Toter Hisbollah-Führer wird "Märtyrer"
Im
Iran hat der oberste geistliche Führer Ayatollah Ali Khamenei den toten
Hisbollah-Anführer zum "großen Märtyrer"
proklamiert. In einer über den staatlichen Rundfunk verbreiteten Botschaft
geißelte Khamenei die "blutrünstigen zionistischen Verbrecher, die
wissen müssen, dass Moughniyas Martyrium die Geburt von Hunderten von
weiteren Märtyrern bedeutet". Ein US-Sprecher hatte erklärt,
Moughniyah sei ein Mörder und für den Tod von Hunderten unschuldiger
Menschen verantwortlich gewesen. Der 45-jährige Libanese palästinensischer
Herkunft soll unter anderem an der Entführung einer TWA-Maschine 1985 sowie
an der Attacke auf die israelische Botschaft in Buenos Aires 1992 beteiligt
gewesen sein, bei der 29 Menschen ums Leben gekommen waren.
Israel in Alarmbereitschaft
Nach dem gewaltsamen Tod des
Hisbollah-Kommandanten in Damaskus hat Israel seine Botschaften und
diplomatischen Vertretungen weltweit in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt.
Israelische Medien berichteten am Donnerstag, aus Furcht vor Racheanschlägen
seien auch im Norden des Landes die Sicherheitskräfte zur erhöhten
Wachsamkeit aufgerufen worden. Der israelische Geheimdienst befürchtet, die
Hisbollah-Miliz könne versuchen, sich mit einem großen Anschlag auf eine
israelische Einrichtung im Ausland zu rächen.
Der Hariri-Mord ist nach Überzeugung des ehemaligen UNO-Sonderermittlers, des Deutschen Detlev Mehlis, aufklärbar. Es gebe zu viele Beteiligte und Mitwisser, um die Tat für immer unter der Decke zu halten, sagte der Berliner Oberstaatsanwalt der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Donnerstag). Der syrische Ex-Vizepräsident Abdelhalim Khaddam, der nach Frankreich abgesprungen war, hatte schwere Anschuldigungen gegen Präsident Bashar al-Assad erhoben, der nach Khaddams Vermutung persönlich den Mordbefehl gegeben hätte. Der syrische Innenminister und frühere langjährige Geheimdienstchef im Libanon, General Ghazi Kanaan, hatte nach offiziellen Angaben Selbstmord begangen. Die antisyrische libanesische Presse hatte geschrieben, Kanaan habe der UNO-Untersuchungskommission reinen Wein eingeschenkt oder sei im Begriff gewesen, es zu tun.
Schwere Krise im Zedernstaat
Der Libanon steckt seit Monaten in
einer schweren Krise und ist seit dem Ende der Amtszeit von Präsident Emile
Lahoud im November ohne Staatsoberhaupt. Die Wahl des neuen Präsidenten
wurde am vergangenen Wochenende zum 14. Mal (auf Ende Februar) verschoben.
Zwar haben die verfeindeten Lager der Konsenskandidatur von Armeechef
General Michel Sleimane grundsätzlich zugestimmt, doch verlangt das von
Syrien unterstützte Oppositionsbündnis, zu dem sich die christliche "Freie
Patriotische Bewegung" (CPL) von Ex-General Michel Aoun, die
schiitischen Parteien Hisbollah und Amal sowie kleinere pro-syrische
Parteien zusammengeschlossen haben, noch vor Durchführung der Wahl im
Parlament ein Abkommen über eine Machtteilung im Rahmen einer
Allparteienregierung. Die Opposition will mit einer Sperrminorität
erreichen, dass sie nicht von der Mehrheit überstimmt werden kann.
Warnung an Damaskus
Westliche und arabische Regierungen haben
laut Medienberichten gemeinsam den syrischen Staatschef Assad vor ernsten
Konsequenzen gewarnt, sollte Damaskus versuchen, den Libanon wieder unter
seine Kontrolle zu bringen. Wie die kuwaitische Zeitung "Al-Watan"
berichtete, wurde Assad zu verstehen gegeben, dass die bisher verhinderte
Wahl Sleimanes zum Staatspräsidenten eine einheitliche "arabisch-westliche
Forderung" sei, die für weitere "Erpressungsversuche"
nicht zur Disposition stehe. Als "rote Linie", die Syrien nicht
überschreiten dürfe, gelte die Unantastbarkeit der amtierenden Beiruter
Rumpfregierung unter Premier Fouad Siniora. Ebenso wurde Damaskus davor
gewarnt, das internationale Tribunal zu blockieren, das den Mord an Hariri
aufklären soll.