Während Vertragsgegner in zahlreichen europäischen Staaten das Abstimmungsergebnis bejubelten, zeigten sich Regierungsvertreter enttäuscht.
Der slowenische EU-Ratsvorsitz nahm das Votum "mit tiefstem Bedauern" zur Kenntnis. Man respektiere den Willen der Iren, doch sei der Reformvertrag "unbedingt nötig", damit Europa effizienter, demokratischer und transparenter werden kann, teilte EU-Ratspräsident Janez Jansa am Freitagnachmittag mit. Das Referendumsergebnis sei "keine große Katastrophe", bedeute aber "Stillstand" für die EU, betonte Jansa, der für den EU-Gipfel kommende Woche erste Ansätze für einen Ausweg aus der Krise ankündigte.
Barroso: Ratifizierung muss weitergehen
EU-Kommissionspräsident
Jose Manuel Barroso sagte in Brüssel, die Ratifizierung des Vertrags müsse
weitergehen. "Wir dürfen jetzt nicht in eine tiefe Depression verfallen",
betonte Barroso. Der französische EU-Staatssekretär Jean-Pierre Jouyet,
dessen Land im zweiten Halbjahr den EU-Ratsvorsitz übernimmt, schlug als
Ausweg vor, Irland eine Art Sonderabkommen anzubieten und den Reformvertrag
in den 26 übrigen EU-Staaten umzusetzen.
Auch Merkel und Sarkozy dafür
Die deutsche Kanzlerin Angela
Merkel und der französische Präsident Nicolas Sarkozy sprachen sich für eine
Fortführung des Ratifizierungsprozesses aus. Spanien und die Niederlande
kündigten an, an ihren entsprechenden Plänen festhalten zu wollen. Dagegen
sprach der dänische Premier Anders Fogh Rasmussen, dessen Land den
EU-Vertrag ebenfalls noch nicht ratifiziert hat, von einer "neuen
Situation".
Le Pen gratuliert Irland
Der französische rechtsextreme Politiker
Jean-Marie Le Pen hat Irland zu seiner Ablehnung des EU-Vertrags
beglückwünscht. Das Nein sei ein "großartiger Sieg des irischen Volks, das
den Vertrag trotz Drucks und aller möglichen Drohungen abgelehnt hat", heißt
es in einer am Freitag in Paris verbreiteten Mitteilung der Partei FN.
Tschechien sieht "Komplikation"
Der tschechische
Premier Mirek Topolanek, dessen Land Anfang 2009 den EU-Ratsvorsitz
übernimmt, sprach von einer "Komplikation", die jedoch das normale
Funktionieren der EU nicht gefährde.
Juncker: Vertrag tritt nicht am 1.1.09 in Kraft
Der
luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker betonte: "Es ist klar,
dass der Lissabon-Vertrag nicht zum 1. Jänner 2009 in Kraft treten kann."
Damit kommt auch nicht der geplante "EU-Außenminister", der
EU-Außenkommissarin in ihrer Funktion ablösen sollte.
Portugal: Gemeinsamen Weg aus der Krise suchen
Der portugiesische
Außenminister Luis Amado betonte, die EU müsse jetzt "gemeinsam" nach einem
Weg aus der Krise suchen. Allerdings gab es auch Stimmen, die den Iren den
Austritt aus der EU nahelegten.
So sagte der SPÖ-Europaabgeordnete Hannes Swoboda, Irland solle sich in einem zweiten Referendum "zwischen der Stärkung der EU und einem Austritt entscheiden". Der Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament, Martin Schulz, drohte indes, den anstehenden EU-Beitritt Kroatiens blockieren zu wollen, sollte es bis dahin keinen neuen EU-Vertrag geben.