Minarett-Verbot

Iran beruft Schweizer Botschafterin ein

06.12.2009

Auch gingen zwei Beschwerden beim Bundesgericht ein.

Zur Vollversion des Artikels
© REUTERS/Pascal Lauener
Zur Vollversion des Artikels

Gegen das Minarettverbot in der Schweiz regt sich in der muslimischen Welt weiter Protest. Der Iran berief am Samstag die Schweizer Botschafterin ein und übermittelte ihr scharfe Kritik. Entscheidungen wie das Schweizer Votum gegen den Bau neuer Minarette schürten eine krankhafte Furcht vor dem Islam und Vorurteile gegen Fremde in Europa, zitierte die Nachrichtenagentur IRNA das Außenministerium in Teheran. Die Spannungen zwischen dem Islam und dem Christentum würden verschärft. Die Schweizer hatten sich bei einer Abstimmung Ende November gegen den Bau neuer Minarette ausgesprochen.

In einem Telefonat mit seiner Schweizer Amtskollegin Micheline Calmy-Rey sagte der iranische Außenminister Manuchehr Mottaki, ein solches Referendum hätte in einem Land, das für sich beansprucht, Demokratie und Menschenrechte zu respektieren, niemals erlaubt werden dürfen. "Religiöse Werte sollten niemals Gegenstand eines Referendums sein", betonte Mottaki. Für Muslime in aller Welt sei das Ansehen der Schweiz als fortschrittliches Land beschädigt worden. Mottaki forderte die Schweizer Regierung auf, die Umsetzung des Minarettverbots zu verhindern.

Entschuldigung?
Außenministerin Micheline Calmy-Rey wies indes den Vorwurf zurück, sie habe sich gegenüber den muslimischen Ländern für den Ausgang des Referendums entschuldigt. Sie habe lediglich die Abstimmung erklärt. "Mit unseren muslimischen Partnern sind wir uns einig, dass wir die Situation gemeinsam beruhigen wollen", sagte sie in einem Interview der Zeitung "Sonntag". Hinweise auf Terrordrohungen lägen den Behörden derzeit nicht vor. Es habe Verbalattacken, einzelne Boykottaufrufe und kleinere Demonstrationen gegeben. Die Lage sei nach dem Freitagsgebet aber weitgehend ruhig geblieben.

Baugesuch
Das Aktionskomitee "Stopp Minarett" forderte am Samstag die Muslime in der Gemeinde Langenthal im Kanton Bern auf, ihr Baugesuch für ein Minarett zurückzuziehen. Dies wäre ein "Zeichen gelebter Integration", hieß es in einer Mitteilung. Ein Rückzug des Baugesuchs wäre Ausdruck dafür, eine "demokratisch legitimierte Entscheidung zu respektieren". Es sei deutlich geworden, dass weder die lokale noch die gesamtstaatliche Bevölkerung Minarettbauten wünsche. Die Islamische Glaubensgemeinschaft Langenthal, die seit drei Jahren für ihr Minarett kämpft, hatte angekündigt, ihren Fall wenn nötig bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg zu ziehen.

Zwei Beschwerden
Bisher gingen auch zwei Beschwerden gegen den Referendumsausgang beim Schweizerischen Bundesgericht in Lausanne ein, wie dessen Präsident Lorenz Meyer (SVP) bestätigte. Eine weitere Volksabstimmung prüft indes der intellektuelle "Club Helvetique". "Eine neue Volksinitiative ist der demokratischste Weg, um das durchzusetzen", sagte Staatsrechtler Jörg Paul Müller laut Presseberichten.

Toleranzartikel
Es gehe darum, "einen Toleranzartikel in der Bundesverfassung zu verankern und gleichzeitig das diskriminierende Minarettverbot zu ersetzen", erklärte Ex-Bundesgerichtspräsident Guisep Nay. Neben einer Volksinitiative gebe es auch die Möglichkeit einer parlamentarischen Initiative. Da es sich um eine Verfassungsänderung handelt, würde es auch hier zu einer Volksabstimmung kommen. Der Zürcher Völkerrechtsprofessor Daniel Thürer gibt einem solchen Toleranzartikel durchaus Chancen: Darin könnte stehen, dass jede Religion anderen religiösen Auffassungen Respekt bezeugen müsse. "Man könnte den Toleranzartikel mit einer Übergangsbestimmung versehen, wonach mit seinem Inkrafttreten der Anti-Minarett-Artikel gegenstandslos würde."

Zur Vollversion des Artikels
Weitere Artikel