"Gezielte Tötungen"
Israel droht Hamas mit Entmachtung in Gaza
11.02.2008
Verteidigungsminister Barak kündigte die Vorbereitung einer Offensive an. Hamasführer Haniyeh tauchte nach einer Morddrohung unter.
Israel hat angesichts der andauernden Raketenangriffe aus dem Gaza-Streifen mit einem gewaltsamen Sturz der in dem palästinensischen Gebiet herrschenden Hamas gedroht. Die radikale islamische Bewegung könne innerhalb von Monaten oder eines Jahres die Kontrolle über die Küstenregion verlieren, sagte der israelische Vizepremier Haim Ramon am Montag. Verteidigungsminister Ehud Barak erklärte, Israel werde seine Luftangriffe und Bodeneinsätze im Gaza-Streifen verstärken und eine Offensive vorbereiten. Das Militär werde alles tun, um die Angriffe auf Südisrael zu beenden. Ein Hamas-Sprecher sagte in Gaza: "Die Hamas durch Belagerung und militärische Angriffe zu stürzen, würde komplett fehlschlagen". Der Hamas-Führer und palästinensische Ex-Premier Ismail Haniyeh ist unterdessen untergetaucht.
Auch wenn Bush es wünscht: heuer kein Friedensvertrag
Die
Unterzeichnung eines Friedensvertrages mit den Palästinensern in diesem
Jahr, wie von US-Präsident George W. Bush gewünscht, schloss Ramon aus. Ziel
der laufenden Gespräche mit Präsident Mahmoud Abbas sei lediglich eine
Grundsatzerklärung zu den Kernpunkten des Konflikts, sagte der Vizepremier.
Die zentralen Fragen wie Grenzen, Flüchtlinge und Jerusalem-Status würden
nicht in allen Einzelheiten geklärt. "Die Erklärung muss detailliert genug
sein, um sie anschließend binnen zwei bis drei Jahren umzusetzen", erklärte
der israelische Politiker. US-Präsident Bush hatte Israelis und
Palästinensern auf der Nahost-Konferenz in Annapolis im vorigen November zum
Ziel gesetzt, noch während seiner (im Jänner 2009 endenden) Amtszeit einen
Friedensvertrag für eine Zwei-Staaten-Lösung auszuhandeln.
Raketenangriffe
Die israelische Regierung ist angesichts
dauernder Raketenangriffe militanter Palästinenser auf das israelische
Grenzgebiet unter massivem Druck, wütende Demonstranten aus der Grenzstadt
Sderot blockierten am Montag eine zentrale Verbindungsstraße in Tel Aviv.
Ramon kündigte neue Kollektivstrafen an. Sollten Raketen in Israel
einschlagen, wolle man die Strom- und Treibstoffversorgung im Gaza-Streifen
sofort unterbrechen. "Kein Staat der Welt versorgt ein Land, das ihm den
Krieg erklärt hat, mit Strom und Treibstoff", sagte der Politiker.
"Gezielte Tötungen"
Auf Fragen nach einer
möglichen "gezielten Tötung" des Hamas-Führers und palästinensischen
Ex-Regierungschefs Ismail Haniyeh sagte Ramon: "Politische Führer sind
normalerweise nicht an Terrorismus beteiligt. Sind sie es doch, sind sie
keine politischen Führer." Eine Mitarbeiterin des im Vorjahr von Präsident
Abbas für abgesetzt erklärten Ministerpräsidenten teilte am Montag in Gaza
mit, man habe Anweisung erhalten, das Bürogebäude zu räumen. Anrufe wurden
am Vormittag nicht mehr beantwortet. Seit 2004 waren der Hamas-Gründer
Scheich Ahmed Yassin und dessen Nachfolger an der Spitze der Organisation,
Abdelaziz Rantisi, sowie weitere Funktionäre "gezielten Tötungen" durch die
israelische Armee zum Opfer gefallen. Diese Praxis war von den Vereinten
Nationen und der EU verurteilt worden.
Nach Wohnungsbauminister Zeev Boim sprach sich auch der israelische Infrastrukturminister und frühere Verteidigungsminister Benjamin Ben-Eliezer am Montag im Rundfunk für die "gezielte Tötung" von Hamas-Führern aus. Vergangene Woche hatte der Vorsitzende des Außen- und Verteidigungsausschusses des israelischen Parlaments und frühere Minister Tzahi Hanegbi die Wiederaufnahme der "Liquidierung" von Hamas-Funktionären verlangt.
Machtkampf in Gaza
Der Machtkampf zwischen der Fatah von Abbas
und der radikalen Hamas hatte im Juni 2007 zu einer faktischen Trennung des
Westjordanlandes und des Gaza-Streifens geführt. Die Hamas hatte nach
blutigen Gefechten die alleinige Kontrolle über den Gaza-Streifen
übernommen. Abbas hatte daraufhin die Hamas-geführte palästinensische
Einheitsregierung unter Haniyeh für aufgelöst erklärt und im Westjordanland
ein Notstandskabinett unter Salam Fayyad eingesetzt.