Auch 5-fach-Mörder
Israel und Hisbollah tauschten Gefangene aus
16.07.2008
Der israelisch-libanesische Austausch von Gefangenen ist vollzogen. Jetzt übergab Israel auch fünf libanesische Häftlinge.
Tränen in Israel, Jubel im Libanon: Ein Gefangenenaustausch hat der israelischen Bevölkerung am Mittwoch Gewissheit über den Tod der Soldaten Ehud Goldwasser und Eldad Regev gebracht, während die Menschen im Libanon die Rückkehr von fünf in Israel inhaftierten Landsleuten feierten. Die Hisbollah übergab zwei Särge mit den Leichen der Soldaten; im Gegenzug nahm die radikale Schiitenmiliz die Häftlinge, unter ihnen den verurteilten Mörder Samir Kantar, sowie sterbliche Überreste von libanesischen und palästinensischen Kämpfern in Empfang. Ein deutscher Geheimdienstagent hatte den Austausch eingefädelt.
Entgegen aller Hoffnungen in Israel kehrten Goldwasser und Regev nicht lebend zurück. Die Hisbollah zog ihre beiden schmucklosen schwarzen Särge im libanesischen Grenzort Nakura aus einem Auto und übergab sie Mitarbeitern des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK). Gerichtsmediziner in Jerusalem identifizierten die übergebenen sterblichen Überreste nach Angaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks später zweifelsfrei. Die Entführung der beiden Soldaten hatte im Sommer 2006 einen israelischen Großangriff auf den Libanon ausgelöst, in dessen 34-tägigem Verlauf 1.200 Libanesen und 160 israelische Soldaten starben.
Vor den Häusern der Familien von Goldwasser und Regev in den nordisraelischen Orten Nahariya und Kiriat weinten zahlreiche Menschen, als sie im Fernsehen die Särge sahen. Obwohl die israelische Regierung zwar mit ihrem Tod gerechnet hatte, war das Schicksal von Goldwasser und Regev bis zuletzt offen geblieben. "Wir haben bis zum Ende gehofft, dass Eldad und Ehud lebend nach Hause kommen", sagte Regevs Vater Zvi.
Peres rügt Beirut
Israels Staatschef Shimon Peres nannte das Verhalten der libanesischen Regierung, die den Mittwoch zum Feiertag erklärt hatte, eine "Schande". Während Israel den Tod von Soldaten beweine, werde im Libanon die Rückkehr eines Mörders offiziell gefeiert. Auch Ministerpräsident Ehud Olmert kritisierte scharf, dass der Libanon die "Freilassung einer menschlichen Bestie" feiere.
Die fünf freigelassenen Häftlinge, die Peres in der Nacht auf Mittwoch begnadigt hatte, trafen in Rot-Kreuz-Fahrzeugen in Nakura ein. Unter ihnen war auch Kantar, der wegen mehrfachen Mordes zu 542 Jahren Haft verurteilt worden war und seit 28 Jahren in Israel im Gefängnis saß. Seine Begnadigung war besonders umstritten, weil die von ihm verübten Taten die israelische Öffentlichkeit bis ins Mark erschüttert hatten. Er hatte bei einem Kommandoüberfall einen 28-jährigen israelischen Familienvater erschossen und dessen vierjährige Tochter mit dem Gewehrkolben erschlagen. Die anderen vier Häftlinge waren während des Libanon-Krieges 2006 gefangen genommen worden.
Jubel an der Grenze
Mehrere hundert Hisbollah-Anhänger begrüßten die Freigelassenen am Grenzübergang Nakuba. "Ich bin glücklich, wieder zu Hause zu sein", sagte der 45-Jährige Kantar. Als er und vier anderen frei gelassene Hisbollah-Kämpfer libanesischen Boden betraten, salutierte eine Ehrengarde der Hisbollah. Tausende Hisbollah-Mitglieder säumten zu beiden Seiten einen roten Teppich und schwenkten Fahnen. Auf einem riesigen Plakat nahe der Grenze zu Israel hing ein Plakat mit den Worten: "Der Libanon vergießt Tränen der Freude, Israel Tränen des Schmerzes".
Am Abend sollten die fünf Männer in der libanesischen Hauptstadt Beirut von Präsident Michel Sleimane und Regierungschef Fouad Siniora empfangen werden. Die radikalislamische Hamas sprach in einer Erklärung von einem "großen Sieg für den Widerstand und die Hisbollah". Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah kündigte für den Abend eine Rede an.
Die deutsche Bundesregierung bezeichnete den Gefangenenaustausch als "politisch, aber auch humanitär wichtigen Erfolg". Der BND-Agent Gerhard Conrad hatte den aktuellen Austausch im Auftrag der UNO vermittelt. Zuvor waren 1996 und 2004 Austauschaktionen mit deutscher Hilfe zustande gekommen.