Laut Verfassungsgericht ist das italienische Immunitätsgesetz rechtswidrig.
Das italienische Verfassungsgericht hat die Immunität des italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi vor Strafverfolgung aufgehoben. Die 15 Verfassungsrichter erklärten am Mittwoch in Rom ein umstrittenes Immunitätsgesetz für nicht rechtskonform. Damit droht dem seit Monaten u.a. von Sexskandalen geplagten Medienmogul die Wiederaufnahme von mindestens zwei Verfahren. Laut Verfassungsgericht sei das umstrittene Immunitätsgesetz rechtswidrig, weil es nicht ausreiche, eine Immunität gegen Strafverfolgung mit einem einfachen Gesetz festzuschreiben. Dies müsse laut Gericht schon in der Verfassung mittels Zweidrittel-Mehrheit verankert werden. Das Immunitätsgesetz verstoße außerdem gegen den Gleichheitsgrundsatz.
"Politisches Urteil"
Paolo Bonaiuti, Sprecher
Berlusconis, kritisierte den Beschluss der Verfassungsrichter scharf. "Es
handelt sich um ein politisch motiviertes Urteil. Berlusconi lässt sich
nicht beeinflussen und regiert weiter, wie es die Italiener fordern", meinte
Bonaiuti.
Jubel bei der Opposition
Die oppositionelle PD (Demokratische
Partei), Italiens stärkste Oppositionskraft, begrüßte das Urteil des
Verfassungsgerichts. "Endlich geht eine Ära zu Ende. Berlusconi kann nicht
mehr unbekümmert Gesetze für sich selbst über die Bühne bringen",
kommentierten Parlamentarier der PD. Der Kandidat für den PD-Vorsitz, Pier
Luigi Bersani, meinte, Berlusconi sollte weiterhin als Premierminister
amtieren, sich aber vor Gericht verantworten. Er gab somit zu verstehen,
dass seine Partei nach dem Urteil des Verfassungsgerichts nicht vorgezogene
Parlamentswahlen verlangen wird. Abgeordnete der Grünen sprachen von einem
Sieg der Demokratie.
Rücktritt gefordert
Der Fraktionschef der Oppositionspartei
"Italien der Werte" (IDV), Massimo Donadi, verlangte dagegen Berlusconis
Rücktritt. "Das Verfassungsgericht hat nicht nur das Immunitätsgesetz,
sondern eine Mehrheit abgelehnt, die seit 15 Jahren mit Arroganz und ohne
Rücksicht auf die Institutionen im Parlament offenkundig rechtswidrige
Gesetze verabschiedet, um Berlusconi Straffreiheit zu gewähren", erklärte
Donati.
Vor der Urteilsverkündung hatte der Chef der mit Berlusconi verbündeten rechtspopulistischen Partei Lega Nord, Umberto Bossi, mit eklatanten Worten für Aufregung in Rom gesorgt. "Sollte das Verfassungsgericht das Immunitätsgesetz als rechtswidrig erklären, würden wir uns einschalten und das Volk mit uns reißen. Das Volk ist mit uns", sagte Bossi.
Immunitätsgesetz
Das Immunitätsgesetz
war trotz des heftigen Widerstands der Opposition im Juli 2008 im
Parlament durchgepeitscht worden. Dem skandalgeschüttelten Berlusconi blieb
somit bisher die Wiederaufnahme einiger Verfahren erspart, die nach dem
Urteil der Verfassungsrichter wieder geöffnet werden sollten. In einem
besonders aufsehenerregenden Prozess müsste sich der 73-Jährige in Mailand
wegen Beeinflussung von Justizbehörden verantworten.
Berlusconi wird vorgeworfen, seinen früheren Anwalt David Mills für Falschaussagen in Prozessen in den 90er Jahren bezahlt zu haben. Mills war im Februar zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Auch Berlusconi wurde in dem Fall angeklagt, das Verfahren wurde jedoch im Oktober 2008 auf Grundlage des nunmehr verfassungswidrigen Immunitätsgesetzes ausgesetzt.
Schlappe vor Gericht
Bereits 2004 war ein Immunitätsgesetz vom
Verfassungsgericht gekippt worden, das eine frühere Regierung Berlusconis
verabschiedet hatte. Erst vor wenigen Tagen musste Berlusconi
eine empfindliche Schlappe vor Gericht einstecken. Seine Fininvest-Holding
wurde zu einer Entschädigungszahlung von 750 Millionen Euro verurteilt, weil
bei der umstrittenen Übernahme des Mondadori-Verlags vor 20 Jahren drei
Vertraute des Regierungschefs einen Richter bestochen haben sollen.
Berlusconi zeigte sich nach dem Urteil "erstaunt" und betonte, er werde sein
fünfjähriges Regierungsmandat erfüllen.