Nach Prodi Rücktritt
Italiens Staatschef startete Verhandlungsrunde
25.01.2008
Nach Prodis Rücktritt drohen Neuwahlen. Silvio Berlusconi wittert nun seine Chance.
Der italienische Staatspräsident Giorgio Napolitano hat nach dem von Ministerpräsident Romano Prodi eingereichten Rücktritt am Freitag erste Konsultationen gestartet. Napolitano empfing den Präsidenten des Senats, Franco Marini. Es folgte ein Gespräch mit dem Präsidenten der Abgeordnetenkammer, Fausto Bertinotti, teilte Napolitanos Büro am Freitag mit. Der Präsident will die Konsultationsrunde am Dienstagnachmittag abschließen. Mit einer schnellen Beilegung der Regierungskrise rechnet in Italien niemand.
"Politische Kräfte sollen an allgemeines Wohl denken"
Vor
seinem Treffen mit Napolitano forderte Marini alle politischen Kräften zu
Verantwortungsbewusstsein auf. "Die politischen Kräfte sollen an das
allgemeine Wohl denken, weil das Land eine heikle politische Phase erlebt.
Wir müssen uns mit einer komplexen politischen Krise auseinandersetzen. Ich
vertraue in die Fähigkeiten von Präsident Napolitano, einen Ausweg aus
dieser Situation zu finden", sagte Marini. Er bestritt, dass er als
Premierminister einer Übergangsregierung infrage käme, die mit der
Verabschiedung eines neuen Wahlgesetzes beauftragt werden könnte. "Ich
hege keine Ambition auf weitere Ämter", versicherte Marini.
Wahlreform notwendig bevor gewählt werden kann
Kammerpräsident
Bertinotti bekräftigte die Notwendigkeit einer Wahlreform vor Neuwahlen.
Andernfalls drohe Italien eine längere Phase tiefer politischer
Instabilität, die sich das Land jetzt nicht erlauben könne. Dieser Ansicht
ist auch der zurückgetretene Regierungschef. "Mit dem jetzige
Wahlgesetz zu wählen, würde nur zu weiterer politischer Fragmentierung führen",
sagte Prodi.
Wird Prodis Rücktritt angenommen?
Napolitano ließ noch
offen, ob er Prodis Rücktritt annimmt. Er bat die Regierung, zunächst im Amt
zu bleiben. Der seit 20 Monaten an der Spitze einer Mitte-Links-Regierung
stehende Prodi hatte am Donnerstagabend im Senat eine Vertrauensabstimmung
verloren.
Berlusconi fordert Neuwahlen
Der Staatspräsident könnte statt
sofortiger Neuwahlen eine Übergangsregierung auf den Weg bringen, die
zunächst eine Wahlrechtsreform bewerkstelligt. Der Präsident hatte betont,
vor einem Urnengang sei die Wahlrechtsreform dringend nötig. Diese Reform
soll den größeren Parteien in dem aufgefächerten Parteiensystem Italiens
stärkeres Gewicht geben. Die Opposition um Silvio Berlusconi drängt auf
sofortige Neuwahlen mit dem alten Wahlgesetz.
Berlusconis Chance auf ein Comeback
Berlusconi wittert nun seine
Chance auf ein Comeback. Er selbst hat das derzeitige Wahlsystem mit
beschlossen. Im Falle von Neuwahlen, könnte er eine satte Mehrheit im Senat
und der Abgeordnetenkammer erlangen.
"Gegenwärtiges System verhindert stabile Regierung"
Prodi
nahm am Freitag an einem Treffen mit den Spitzenpolitikern der
Mitte-links-Allianz "Unione" in Rom teil. An dem Krisengipfel
beteiligten sich der Chef der Demokratischen Partei, Walter Veltroni,
Außenminister Massimo D'Alema, Vizepremierpremier Francesco Rutelli und ein
Großteil der Minister des zurückgetretenen Kabinetts.
"Wir wollen ergründen, welche politischen Kräfte sich für die Wahlreform einsetzen wollen", sagte Veltroni. Das gegenwärtige System mit einer niedrigen Sperrklausel und Bonusmandaten für den Wahlsieger bevorzuge kleinere Parteien und verhindere die Bildung stabiler Regierungen. Im aktuellen, 2006 gewählten Parlament sind 24 Parteien vertreten. Das Treffen wurde von Prodi persönlich geführt. "Ich habe als Premierminister eine schöne Zeit erlebt, doch jetzt muss man weiter in die Zukunft blicken", betonte Prodi.