Offene Fragen
Kann man Guantánamo einfach schließen?
22.01.2009
Viele Fragen zur Schließung des Gefangenenlagers sind noch offen. So etwa was mit den Häftlingen passieren soll?
Das US-Gefangenenlager auf dem Marinestützpunkt Guantánamo Bay auf Kuba ist das bekannteste und umstrittenste Anti-Terror-Gefängnis der Welt. Es gilt als Symbol für Verstöße gegen die Menschenrechte im Feldzug des Ex-Präsidenten George W. Bush gegen den Terror. Der neue US-Präsident Barack Obama will das Lager innerhalb eines Jahres schließen - viele Fragen sind aber noch offen.
Warum wurde Guantánamo eingerichtet?
Die Bush-Regierung
richtete das Lager nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 ein. Den
Flottenstützpunkt im Osten Kubas unterhalten die USA seit 1903. Ein 28
Kilometer langer Grenzzaun mit 44 Wachtürmen trennt Guantánamo Bay vom Rest
der kommunistischen Insel. Da es sich nicht auf dem Staatsgebiet der USA
befindet, konnte Washington den Insassen grundlegende Rechte verwehren. Seit
Anfang 2002 werden dort vor allem mutmaßliche Taliban- oder
Al-Kaida-Mitglieder festgehalten und verhört. Insgesamt waren mehr als 750
Terrorverdächtige inhaftiert. Derzeit sind es noch 245. Die USA erhofften
sich von ihnen auch Hinweise auf Pläne für neue Anschläge und den Verbleib
anderer Islamisten.
Was passiert mit den Häftlingen nach einer Schließung?
Terrorverdächtige
sollen zum amerikanischen Festland gebracht und vor reguläre Militär- oder
US-Bundesgerichte gestellt werden. Was mit denjenigen geschieht, die
freizulassen sind, ist unklar. Nach bisherigen Schätzungen gilt mindestens
ein Fünftel - rund 50 Häftlinge - als unschuldig. Andere Angaben sprechen
sogar von 100.
Wer könnte Häftlinge aufnehmen?
US-Verteidigungsminister
Robert Gates, der das Amt schon unter dem Republikaner Bush bekleidete und
als Befürworter einer Guantánamo-Schließung gilt, sucht nach potenziellen
Aufnahmeländern. Viele Länder sind der Meinung, Guantánamo sei in erster
Linie ein amerikanisches Problem, das auch von den USA gelöst werden müsste.
Zudem wird vor möglichen Gefahren durch die Ex-Guantánamo-Insassen gewarnt.
Laut früheren Angaben des US-Verteidigungsministeriums haben sich 61
ehemalige Guantánamo-Gefangene nach ihrer Freilassung dem Terrorismus
zugewandt.
Warum kann Obama das Lager nicht von heute auf morgen schließen?
Erst
muss geklärt werden, was mit entlassenen Häftlingen passiert und wie und wo
weiterhin Verdächtigen der Prozess gemacht werden kann. Dabei geht es auch
um wichtige Sicherheitsfragen, wenn etwa mutmaßlichen Drahtziehern der
Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA der Prozess gemacht werden
würde. Als ersten Schritt hat Obama die Chefankläger des
Verteidigungsministeriums angewiesen, bei den Militärrichtern in Guantánamo
einen vorläufigen Stopp sämtlicher Terrorismus-Verfahren zu beantragen, da
sie in einer juristischen Grauzone stattfinden. Binnen 120 Tagen soll nun
die Frage der Prozesse geprüft werden.
Warum gibt es so viel Kritik an dem Lager?
Bush hatte betont,
dass die Gefangenen keine Kriegsgefangenen, sondern "illegale Kämpfer" und
"Mörder" seien. Mit dieser Begründung standen ihnen weniger Rechte zu als
Kriegsgefangenen, die unter die Genfer Konventionen fallen. Zum Teil bis zu
sieben Jahre saßen dort Terrorverdächtige, ohne einen Prozess zu bekommen.
In den Sondergerichtsverfahren haben die Angeklagten deutlich weniger Rechte
als in normalen Militärprozessen. Der Verdacht auf Folterungen - unter
anderem zur Erpressung von Geständnissen - hat sich zuletzt erhärtet. Die
Bush-Regierung hat den Einsatz von Folter lange bestritten, jüngst aber
zunehmend offen eingestanden.
Was für Folter gab es?
Unter anderem wurde das
"Waterboarding" angewandt. Dabei wird ein Ertränken des Gefangenen
simuliert. Zu den legalen Verhörmethoden gehörten laute Musik, grelles Licht
und Schlafentzug. Der saudi-arabische Häftling Mohammed al-Kahtani, dem eine
Beteiligung an den Anschlägen vom 11. September 2001 vorgeworfen wird, soll
gezwungen worden sein, sich nackt vor eine Ermittlerin zu stellen oder
Damenunterwäsche zu tragen. Außerdem soll ein Militärhund auf ihn gehetzt
worden sein.