Der Amtsinhaber kommt auf rund 54 Prozent der Stimmen.
Bei der zunehmend umstrittenen Präsidentschaftswahl in Afghanistan kommt Amtsinhaber Hamid Karzai nach Auszählung von mehr als 90 Prozent der Stimmen erstmals auf eine absolute Mehrheit. Allerdings ist es nach Angaben der Unabhängigen Beschwerdekommission (ECC) zu Wahlbetrug gekommen.
Stimmen erneut prüfen
Knapp drei Wochen nach der Wahl wies
die von den Vereinten Nationen unterstützte Beschwerdekommission am Dienstag
die afghanische Wahlkommission (IEC) an, Stimmen aus betroffenen Wahllokalen
zu überprüfen und erneut auszuzählen. Bevor die Vorwürfe nicht geklärt sind,
darf kein amtliches Endergebnis verkündet werden. Damit steht bis dahin auch
kein Gewinner fest.
54,1 Prozent der Stimmen
Die Unabhängige Wahlkommission (IEC)
teilte mit, Präsident Karzai habe nach derzeitigem Stand 54,1 Prozent der
Stimmen gewonnen. Sein wichtigster Herausforderer Abdullah Abdullah folge
mit 28,3 Prozent. Auf den dritten Platz kam der unabhängige Kandidat Ramazan
Bashardost mit rund 9,2 Prozent der Stimmen, gefolgt von dem ehemaligen
Finanzminister Ashraf Ghani, der 2,7 Prozent der Stimmen erhielt. Die
Stimmen aus 91,6 Prozent der Wahllokale seien inzwischen ausgezählt.
Die Auszählung werde trotz der Anordnung der ECC bis zu einem vorläufigen Ergebnis fortgesetzt. Danach würden die von der ECC bemängelten Wahllokale überprüft. Die Beschwerdekommission teilte mit, bei ihren Untersuchungen in drei Provinzen habe es "klare und überzeugende Beweise für Betrug" gegeben. In weiteren Provinzen plane die ECC Ermittlungen wegen Beschwerden über Wahlbetrug.
Betrugsvorwürfe gegen Karzai-Lager
Die Betrugsvorwürfe
richten sich in erster Linie gegen das Karzai-Lager. Auch Abdullah hat dem
Präsidenten schwere Manipulationen vorgeworfen. Die Wahlkommission kündigte
von sich aus an, Stimmen aus rund 600 der insgesamt 26.000 Wahllokale bei
dem vorläufigen Ergebnis nicht zu berücksichtigen. Diese Stimmen seien
"verdächtig" und zur Überprüfung an die Beschwerdekommission gegeben worden.
Da maximal 600 Wähler für jedes Wahllokal berechnet worden waren, liegt die
theoretische Gesamtzahl dieser umstrittenen Stimmen bei höchstens 360.000.
Allerdings liegt Karzai in absoluten Zahlen rund 1,4 Millionen Stimmen vor
Ex-Außenminister Abdullah.
Vorsprung von 23,8 Prozent
Nach den neuesten Teilergebnissen
konnte Karzai seinen Vorsprung um 23,8 Prozentpunkte ausbauen. Am Sonntag
hatte Karzai noch mit nur knapp 17 Prozentpunkten vor Abdullah geführt.
Erste Ergebnisse nach der Wahl vom 20. August hatten auf ein
Kopf-an-Kopf-Rennen hingedeutet. Sollte Karzai die absolute Mehrheit bei der
Auszählung auch nach Klärung der Betrugsvorwürfe halten, wäre kein zweiter
Wahlgang im Oktober notwendig. Ein amtliches Endergebnis war ursprünglich
für Mitte September angekündigt worden. Der Termin gilt nun kaum noch als
haltbar.
Angesichts der massiven Fälschungsvorwürfe drängen die USA und die Vereinten Nationen Karzai nach Medienberichten zu einer gründlichen Überprüfung der Wahl. Wie der US-Sender CNN unter Berufung auf Mitarbeiter des US-Außenministeriums berichtete, trafen der amerikanische Botschafter in Kabul, Karl Eikenberry, und UN-Vertreter am Montagabend mit Karzai zusammen. Dabei hätten sie ihn aufgefordert, der Wahlkommission eine eingehende Überprüfung der Vorwürfe zu gestatten. Erst danach könne geklärt werden, ob ein zweiter Wahlgang nötig ist.