Betrugs-Vorwurf
Karzai wehrt sich gegen zweiten Wahlgang
18.09.2009
Der Urnengang war "ehrlich und fair".
Der afghanische Staatschef Hamid Karzai hat die international kritisierte Präsidentschaftswahl als "ehrlich und fair" bezeichnet. Er werde keine zweite Runde akzeptieren, wenn es nur darum gehe, den massiven Betrugsvorwürfen Rechnung zu tragen, sagte er am Freitag dem US-Nachrichtensender CNN. Karzai reagierte damit auf die Einschätzung von EU-Wahlbeobachtern, 1,5 Millionen der insgesamt 5,6 Millionen Stimmzettel seien nicht regulär gewesen und müssten neu ausgezählt werden.
EU sieht Betrug
Nach der vorläufigen Endauszählung der
afghanischen Wahlbehörde wurde Karzai am 20. August mit 54,6 Prozent
wiedergewählt. Sein wichtigster Herausforderer, Abdullah Abdullah, kam auf
27,7 Prozent der Stimmen. Von den 1,5 Millionen von der EU angezweifelten
Stimmen waren 1,1 Millionen für Karzai. Sollten diese nicht gewertet werden
und Karzai seine absolute Mehrheit verlieren, wäre eine Stichwahl notwendig.
"Wir können nicht einen Fehler unterstellen und dann einen weiteren Fehler machen, um ihn zu korrigieren", sagte Karzai.
Veröffentlichung
Der Chef der EU-Wahlbeobachter urgierte die
baldige Veröffentlichung eines akzeptablen Ergebnisses. "Die führenden
Politiker der EU müssen Druck auf Hamid Karzai machen, damit es ein
glaubhaftes Ergebnis gibt", sagte der französische General Philippe Morillon
der Zeitung "Le Figaro". Die afghanische Bevölkerung, die den Mut gehabt
habe, ihre Stimme abzugeben, dürfe nicht durch ein gefälschtes Ergebnis
enttäuscht werden, forderte Morillon. "Die westlichen Staaten können sich
auch nicht erlauben, ein gefälschtes Ergebnis zu billigen, wenn sich jeden
Tag ihre Soldaten in Afghanistan engagieren."
Stichwahl gefordert
Der französische Außenminister Bernard
Kouchner schloss nicht aus, dass es eine Stichwahl geben könnte. "Lassen wir
die Wahlkommission ihre Arbeit tun. Wenn die Korrekturen Karzai unter die
50-Prozent-Schwelle bringen, dann muss es natürlich eine zweite Runde geben."
Tote Italiener
Nach dem schweren Selbstmordanschlag vom
Donnerstag mit sechs toten italienischen Soldaten herrscht unterdessen
Uneinigkeit in der römischen Regierungskoalition über die Zukunft der
Afghanistan-Mission. Die Lega Nord fordert den sofortigen Abzug der 3.250
italienischen Soldaten, die im Krisenland stationiert sind. Außenminister
Franco Frattini will dagegen an der Militärmission in Afghanistan festhalten
und nur jene 500 Soldaten, die für die Wahlen zusätzlich entsendet worden
sind, bis Weihnachten wieder nach Hause holen. Regierungschef Silvio
Berlusconi wiederum bekräftigte am Freitag, dass Italien den Abzug seiner
Soldaten überlege, dies müsse jedoch im Einklang mit den internationalen
Partnern erfolgen.
Der Chef des US-Zentralkommandos für den Irak und Afghanistan, David Petraeus, hält einen Erfolg des Afghanistan-Einsatzes weiter für möglich. In einer Rede vor Sicherheitsexperten in London forderte Petraeus am Donnerstagabend aber ein "dauerhaftes, substanzielles Engagement". Die Taliban seien vor allem dort stärker geworden, wo es an afghanischen Sicherheitskräften fehle. Dabei profitierten die Rebellen von der Bewegungsfreiheit in den Grenzregionen.