Nach Gerichtsurteil
Kopftuch-Streit in der Türkei erneut aufgeflammt
22.10.2008
Das Verfassungsgericht in Ankara hat die Kopftuchfreiheit an Universitäten aufgehoben. Jetzt ist der Streit in der Türkei neu voll entbrannt.
In der Türkei flammt der Streit um das islamische Kopftuch wieder auf. Das Verfassungsgericht in Ankara veröffentlichte am Mittwoch die Begründung für eine Entscheidung vom Juni, mit der die Freigabe des Kopftuches für Studentinnen an den Universitäten des Landes gestoppt worden war. Mit einer Mehrheit von neun gegen zwei Stimmen hoben die Richter damals eine vom Parlament mit großer Mehrheit verabschiedete Verfassungsänderung auf.
Die Kopftuchfreiheit verstoße gegen das Prinzip des Laizismus, erklärten die Richter jetzt in ihrer 20-seitigen Begründung, wie Zeitungen und Fernsehsender meldeten. Kritiker warfen den Richtern vor, das Parlament entmachtet zu haben.
"Angriff auf türkische Verfssung"
Das Parlament
hatte im Februar mit den Stimmen der religiös-konservativen Regierungspartei
AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und der rechtsnationalen
Oppositionspartei MHP beschlossen, Studentinnen das Tragen des Kopftuches
auf dem Uni-Gelände zu erlauben. Das Verfassungsgericht kam in seinem Urteil
aber zu dem Schluss, dass die Neuregelung das Kopftuch als politisches
Symbol missbrauche und dazu führen könnte, dass Druck auf Frauen ausgeübt
werde, die ihr Haar nicht verhüllen. Das Kopftuch-Gesetz sei zudem ein
offener Angriff auf die türkische Verfassung, die Änderungen am Leitprinzip
des Laizismus ausdrücklich untersage.
Regierungsnahe Zeitungen warfen dem Gericht am Mittwoch vor, es habe selbst gegen die Verfassung verstoßen und das Recht des Parlaments verletzt, Gesetze zu erlassen. In den kommenden Tagen will das Gericht auch die Begründung für sein Urteil im Verbotsprozess gegen die AKP veröffentlichen. Das Gericht hatte auf ein Verbot der Regierungspartei verzichtet, die AKP aber wegen islamistischer Tendenzen scharf verwarnt. Der Kopftuch-Streit spielte in dem Verfahren eine große Rolle.