Völlig überraschend
Kroatiens Premier Sanader tritt zurück
01.07.2009
Sanader will auch nicht als Präsidentschaftskandidat antreten.
Der kroatische Premier Ivo Sanader hat sich am Mittwoch völlig überraschend aus der Politik zurückgezogen. "Ich habe beschlossen, mich aus der aktiven Politik zurückzuziehen. Das ist ein Resultat tiefer Überlegungen", sagte Sanader bei einer eilig angesetzten Pressekonferenz in Zagreb. Konkrete Gründe für seinen Rückzug nannte der 56-Jährige nicht. Er schloss jedoch eine Krankheit aus. Als Nachfolgerin schlug Sanader seine Stellvertreterin Jadranka Kosor vor.
Der 56-Jährige legte auch sein Amt als Chef der nationalkonservativen Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (Hrvatska Demokratska Stranka/HDZ) nieder. Zudem werde er nicht - wie zuvor spekuliert - im nächsten Jahr als Präsidentschaftskandidat antreten, betonte Sanader. Ein politische Comeback wollte er jedoch dennoch nicht dezidiert ausschließen.
"Habe meine Arbeit erledigt"
Im Leben gebe es "Momente
für Neuanfänge". "Ich habe persönlich beschlossen, dass
dies so ein Moment ist. Ich habe meine Arbeit erledigt. Jetzt ist es an der
Zeit für andere, sich zu beweisen. Das ist eine Regel in der Politik und im
Leben." Die Politik, die er als "Dienst am kroatischen Volk"
sowie der Realisierung strategischer Ziele verstanden habe, sei ein
bedeutender Teil seines Lebens gewesen. "Jetzt gehe ich zufrieden",
zog Sanader Bilanz. "Ich bin stolz auf mich. Ich bin immer im fünften
Gang gefahren." Kroatien sei NATO-Mitglied geworden und klopfe an der
Tür zur EU. Es fehle "nur mehr die endgültige Entscheidung"
für die Aufnahme Kroatiens in die EU.
Spekulationen, wonach eine Krankheit für den überraschenden Rückzug aus der Politik verantwortlich sein könnte, dementierte er: "Gott sei Dank, ich bin nicht krank", betonte Sanader, der seit 2003 Regierungschef war. Auch in der Öffentlichkeit aufgetauchte Informationen, wonach er ein EU-Amt übernehmen könnte, sei nicht der Grund für den Rückzug aus der kroatischen Tagespolitik gewesen. Er habe zwar ein Angebot aus Brüssel gehabt, habe diese jedoch ausgeschlagen.
Sanader zieht sich in politisch und wirtschaftlich turbulenten Zeiten aus der Politik zurück. Slowenien blockiert derzeit wegen des nicht gelösten Grenzstreits die Beitrittsverhandlungen Kroatiens mit der EU. Und Kroatien befindet sich derzeit in der schwersten Wirtschaftskrise seit den kriegerischen 1990er Jahren - das Bruttoinlandsprodukt fiel im ersten Quartal 2009 um 6,7 Prozent. Sanader dementierte, dass er sich wegen der Krise, in der sich Kroatien befindet, zurückzieht.
"EU-Heuchelei trieb Sanader zum Rücktritt"
Bernd
Posselt, außenpolitischer Sprecher der CSU im Europäischen Parlament und
Fraktionsberichterstatter der EVP für Kroatien, hat Sanader nach dessen
Rücktritt als "großen Europäer, den die Heuchelei von Rat und Kommission der
EU zum Rücktritt getrieben hat" gewürdigt. Dieser habe sein Land mit
Geschick und Offenheit an die Schwelle der EU geführt, wo es von Slowenien
aus kleinkariertem Nationalismus blockiert werde.
Regierungsauflösung steht bevor
Nach kroatischem Recht
folgt mit dem Rücktritt des Premiers die Demission der gesamten Regierung.
Sollte das Parlament den Rücktritt annehmen - und davon wird ausgegangen -,
wird die Regierung aufgelöst. Auf Grundlage der Abgeordnetenzahl und nach
Konsultationen erteilt dann laut Verfassung Präsident Stjepan Mesic ein
Mandat zur neuen Regierungsbildung. Diese Aufgabe dürfte Jadranka Kosor
zufallen. Sanader schlug jedenfalls seine bisherige Stellvertreterin als
Nachfolgerin vor und informierte bereits Mesic darüber. Sollte jedoch
innerhalb von 30 Tagen das Parlament der neuen Regierung nicht das Vertrauen
aussprechen, löst der Präsident das Parlament auf und schreibt gleichzeitig
Neuwahlen aus.