Eine angebliche südkoreanische Geisel in Afghanistan hat in einem Telefonat mit der Nachrichtenagentur AFP um Hilfe gefleht.
Die radikal-islamischen Taliban verweigerten auch am Samstag Ärzten den Zugang zu den 21 Entführten. Taliban-Sprecher Qari Yousuf Ahmadi sagte am Samstag, man traue den Medizinern nicht. Sollten die nach seinen Angaben schwer erkrankten Geiseln wegen falscher Behandlung sterben, würden die Taliban für deren Tod verantwortlich gemacht, argumentierte Ahmadi. Eine Medienmeldung über die angebliche Freilassung der deutschen Geisel in Afghanistan erwies sich unterdessen als falsch.
Telefonat mit Agentur
Eine angebliche südkoreanische Geisel in
Afghanistan hat am Samstag in einem Telefonat mit der Nachrichtenagentur AFP
um Hilfe gefleht. "Sie bedrohen uns, sie sagen uns, dass sie uns töten
werden", sagte die Frau in dem von Taliban-Sprecher Ahmadi vermittelten
Gespräch. Die meisten der Geiseln seien krank, sagte die Frau, die zum Teil
Englisch und zum Teil die in Teilen Afghanistans verbreitete Sprache Dari
sprach, unter Tränen. Ihr Zustand verschlechtere sich täglich. "Wir können
nichts essen, und wir können auch nicht schlafen."
Die Frau bat die Regierungen Südkoreas und Afghanistans sowie UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon und Papst Benedikt XVI., sich für die Freilassung der Verschleppten einzusetzen. Ob es sich bei der Gesprächspartnerin tatsächlich um eine der von den Taliban festgehaltenen 21 südkoreanischen Christen handelte, konnte nicht mit Sicherheit festgestellt werden.
Bedingungen für Treffen
Die Taliban schraubten am Samstag
ihre Bedingung für ein bilaterales Treffen mit Unterhändlern Seouls nach
eigenen Angaben herunter. Ahmadi sagte, sollte eine Zusammenkunft außerhalb
des von den Rebellen kontrollierten Gebietes stattfinden, müssten die
Vereinten Nationen die Sicherheit der Taliban garantieren. Bisher hatte
Ahmadi ein Treffen außerhalb des Taliban-Gebietes ausgeschlossen. Seoul will
sich durch direkte Verhandlungen mit den Taliban offenbar aus der
Abhängigkeit von der afghanischen Regierung lösen. Die Taliban fordern die
Freilassung von acht inhaftierten Gesinnungsgenossen im Tausch gegen die
Geiseln.
Treffen Bush-Karzai
Südkorea setzt bei seinen Bemühungen um das
Leben der Landsleute seine Hoffnungen auch auf das bevorstehende Treffen
zwischen US-Präsident George W. Bush und dem afghanischen Präsidenten Hamid
Karzai. Karzai wird am morgigen Sonntag in Washington erwartet.
Abschied von zweiter toten Geisel
Rund 300 Familienangehörige
und Freunde nahmen unterdessen am Samstag Abschied vom 29-jährigen Shim
Sung-min, der am vergangenen Montag als zweite Geisel in der Gruppe der
verschleppten Koreaner von seinen Entführern erschossen wurde.
Deutsche Geisel
Unterdessen arbeitete der Krisenstab des
Berliner Auswärtigen Amtes am Samstag nach Angaben eines
Ministeriumssprechers weiterhin mit Hochdruck an der Freilassung der
62-jährigen deutschen Geisel. Zuvor hatte die Online-Ausgabe der
Tageszeitung "Die Welt" am Freitagabend gemeldet, dass der Ingenieur
"angeblich frei" und auf dem Weg nach Deutschland sei. Dies wurde später vom
afghanischen Innenministerium dementiert. Rudolf B. war am 18. Juli zusammen
mit einem jüngeren Kollegen verschleppt worden. Der 42-jährige Rüdiger D.
wurde dann von seinen Entführern ermordet. Vermutet wird, dass es sich bei
den Tätern um eine den Taliban nahe stehende Gruppierung mit kriminellem
Hintergrund handelt.
Mit zunehmender Dauer des Geiseldramas schwindet nach verschiedenen Meinungsumfragen der Rückhalt für den Afghanistan-Einsatz der deutschen Bundeswehr. Der Berliner Bundestag wird im Herbst über die Verlängerung der verschiedenen Einsätze entscheiden. SPD-Fraktionschef Peter Struck forderte seine Partei auf, die weitere Beteiligung am Anti-Terror-Einsatz "Operation Enduring Freedom" (OEF) zu billigen. "Den Wiederaufbau in Afghanistan können wir nicht ohne militärische Absicherung gegen Taliban und Al Kaida schaffen", sagte er dem Nachrichtenmagazin "Focus".
NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer forderte Berlin auf, sein Engagement in Afghanistan auszudehnen. "Deutschland hat bereits bei der Ausbildung der afghanischen Armee viel Hilfe geleistet. Wenn wir diesen Prozess beschleunigen wollen, müssen wir aber noch mehr tun", sagte De Hoop Scheffer der "Bild am Sonntag".