Am Mittwoch erfolgt die Abstimmung über eine 2. Amtszeit des EU-Kommissionschefs.
EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso muss bei der Abstimmung (12 Uhr im Europarlament in Straßburg) über seine zweite Amtszeit am Mittwoch mit Gegenwind auch aus dem Lager der Liberalen rechnen. Eine "zweistellige Zahl" von Abgeordneten werde wohl gegen Barroso stimmen, sagte Fraktionssprecher Axel Heyer am Dienstagabend nach einer Fraktionssitzung in Straßburg. Dazu zählten die Parlamentarier aus Frankreich, Italien und Luxemburg, die zusammen über 14 Sitze verfügen. Eine deutliche Mehrheit der Liberalen-Abgeordneten stehe aber hinter Barroso.
Fraktionschef Guy Verhofstadt habe auf die Festlegung einer einheitlichen Linie verzichtet und seinen Parteifreunden freigestellt, nach eigenem Gewissen zu entscheiden, erklärte Heyer. Gegen Barroso würden voraussichtlich die sechs französischen Liberalen stimmen, die den Kommissionspräsidenten im Europa-Wahlkampf scharf kritisiert hatten. Auch die sieben italienischen Liberalen sowie ihr Fraktionskollege aus Luxemburg seien "keine Fans von Barroso", sagte Heyer.
Lob von der EVP
EVP-Fraktionschef Joseph Daul hob Barrosos Rolle
beim Klimaschutz hervor. Er habe die Unterstützung der Europäischen
Volkspartei, dies sei aber "kein Blankoscheck". "Wir
unterstützen Sie, aber dafür gibt es Bedingungen", erklärte
indes der Liberalen-Chef Guy Verhofstadt. So müsse Barroso seine Zusagen
einhalten, die EU brauche einen europäischen Plan zur Bereinigung des
Bankensektors, man müsse außerdem über Eigenmittel für den EU-Haushalt
nachdenken. Verhofstadt forderte zudem eine Überprüfung der europäischen
Finanzaufsicht und einen Kommissar für Grundfreiheiten.
Scharfe Kritik von den Grünen
Der Grünen-Chef Daniel
Cohn-Bendit warf Barroso Versäumnisse im Kampf gegen die Krise vor,
jahrelang habe er das Heil Europas in der Deregulierung gesucht. "Herr
Barroso, sie sind ein Ehrenmann. Aber die Fraktion der Grünen hat kein
Vertrauen in Sie. Wir werden gegen Sie stimmen, weil Europa mehr braucht,
als Sie bieten können." Barroso sei "zwar Europäer, aber in
einer Ideologie verhaftet, die zu dieser Krise geführt hat". Als
Kommissionschef werde Barroso gar keine Zeit für die Vorbereitung der
Weltklimakonferenz in Kopenhagen haben, weil er mit den EU-Staaten um
Kommissarsposten feilschen müsse. Barroso konterte, Cohn-Bendit habe "eine
Besessenheit mir gegenüber". Gerade im Klimaschutz habe die
EU-Kommission sehr viel getan.
Der Chef der Europäischen Konservativen und Reformisten um die britischen Tories, Michal Kaminski, sagte, Barroso habe in der Vergangenheit zwar Fehler gemacht, sei aber stets gegen nationale Egoismen aufgetreten. "Wir zählen auf Sie, dass Sie die Flagge Europas hochhalten."
Europas Linke kritisiert Wirtschaftspolitik
Lothar Bisky von
der Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken kritisierte, Barroso
repräsentiere eine Politik, die zur gegenwärtigen Wirtschaftskrise geführt
habe. "Wir müssen mit neoliberalem Denken brechen." Der
EFD-Fraktionschef Nigel Farage von der britischen Unabhängigkeitspartei
beschuldigte Barroso, so zu tun, als ob der Lissabon-Reformvertrag bereits
in Kraft getreten sei. Bevor es nicht ein klares Ergebnis des für 2. Oktober
angesetzten Referendums in Irland über den Lissabon-Vertrag gebe, dürfe man
Barroso nicht zum Kommissionspräsidenten wählen.