Am Totenbett
Litwinenko konvertierte zum Islam
03.12.2006
Während die Anschuldigungen nach seiner Vergiftung nicht enden wollen, wird Litwinenko nach muslimischer Tradition beerdigt.
Wie am Montag bekannt wurde, konvertierte der russische Ex-Spion Alexander Litwinenko noch am Sterbebett zum Islam. Sein Vater lässt daher eine Beerdigung nach muslimischer Tradition vorbereiten. Obwohl er als orthodoxer Christ erzogen worden sei, habe er enge Verflechtungen mit dem Islam gehabt, so Walter Litwinenko in einem Interview mit der russischen Zeitung "Kommersant". Sein Sohn sei ihm "in den Händen gestorben".
Vater macht Putin Vorwürfe
Während Litwinenko-Kontaktmann
Mario Scaramella, der ebenfalls mit Polonium vergiftet wurde und Ex-KGB-Mann
Yuri Shvets auspacken wollen, erhebt Litwinenkos Vater auch schwere Vorwürfe
gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin.
"Ich habe überhaupt keine Zweifel, dass Mitglieder russischer Geheimdienste nach Anweisung von Wladimir Putin meinen Sohn getötet haben", sagte Walter Litwinenko im erwähnten Interview. "Es gab einen Befehl von ganz oben", sagte Walter Litwinenko und fügte hinzu: "Mein Sohn hat viel gewusst". So hätte er etwa gewusst, wer die Journalistin Anna Politkowskaja getötet habe. Alexander hätte auch "Verbrechen der russischen Dienste, zum Beispiel im Nord-Kaukasus" bezeugen können.
Walter Litwinenko, der sich derzeit in London befindet, kündigte an, dass er nach Russland zurückkehren werde - "obwohl ich Angst habe und ich nicht sicher sein werde".
Scaramella will Namen nennen
Unterdessen gab der Kontaktmann des
vergifteten Kreml-Kritikers Alexander Litwinenko, der italienische "Sicherheitsberater"
Mario Scaramella, bekannt, er wolle "auspacken". Zugleich sagte
der 36-Jährige, der derzeit in einem Londoner Krankenhaus liegt, er sei mit
einer tödlichen Strahlendosis vergiftet. "In meinem Körper
befindet sich eine Polonium-Menge, die fünf Mal über der tödlichen Dosis
liegt", sagte Scaramella am Sonntagabend in einem Telefoninterview des
staatlichen Senders RAI.
Sein Anwalt erklärte dem Sender, der Geheimdienst-Experte Scaramella wolle "alle ihm verfügbaren Namen und Daten öffentlich bekannt geben". Darunter seien "alle Information, die Litwinenko ihm im Laufe der Zeit gegeben habe". Es gehe um Namen von Politikern und Journalisten, die mit der Spionagetätigkeit der ehemaligen Sowjetunion in Verbindung gestanden hätten, sagte der Anwalt Sergio Rastrelli. Scaramella verfüge unter anderem über entsprechende Tonbänder.
Scaramella hatte sich mit Litwinenko am 1. November in einer Londoner Sushi-Bar getroffen. Kurz darauf erkrankte Litwinenko. "Meine Vergiftung kann mit Informationen zusammenhängen, die Litwinenko mir seit Monaten zukommen ließ", hatte Scaramella bereits zuvor erklärt. Er hoffe zu überleben, "um alle Dinge, die über mich gesagt und geschrieben werden, zu widerlegen."
Ex-Spion glaubt, Täter zu kennen
In den USA sagte der
ehemalige russische Geheimdienstoffizier Yuri Shvets (Juri Schwets), er
glaube zu wissen, "wer hinter dem Tod meines Freundes" steckt, und
auch den Grund zu kennen, warum er getötet wurde. Shvets kennt Litvinenko
nach eigenen Angaben seit 2002. Auch am 23. November, dem Tag seines Todes,
habe er mit Litvinenko gesprochen. Shvets wurde inzwischen auch vom FBI und
von Scotland Yard vernommen, was in London auch bestätigt wurde.
Shvets sagte, er habe den britischen Polizisten den Namen der Person genannt, von der er glaube, dass sie für die Tat verantwortlich sei. Dazu habe er auch Unterlagen übergeben. Einzelheiten wolle er nicht nennen, um die Ermittlungen nicht zu gefährden. "Ich will, dass sie dieser Sache auf den Grund gehen. Das Letzte, was ich will, ist die zu warnen, die dafür verantwortlich sind", sagte Shvets. Er wies aber in einer Erklärung seines Anwalts einen Bericht zurück, wonach er ein Dossier über Ermittlungen der russischen Staatsanwaltschaft gegen Mitarbeiter des Ölkonzerns Yukos erstellt habe.
Der ehemalige Yukos-Anteilseigner Leonid Newslin, der im Exil in Israel lebt, hatte vergangene Woche gesagt, Litvinenko habe ihm Unterlagen gegeben, die mit den Ermittlungen im Fall Yukos in Zusammenhang stünden. Möglicherweise liege darin ein Motiv für Litvinenkos Ermordung.
Mord wird auch in Russland untersucht
Der britische
Innenminister John Reid hat eine Untersuchung der britischen Polizei zum
Fall des vergifteten Ex-Agenten auch in Russland angekündigt. "Natürlich
wird die britische Polizei nach Russland fahren, um ihre Untersuchungen
fortzusetzen", sagte Reid am Montag in Brüssel. Reid wollte dort bei
einer Sitzung des Ministerrats seine EU-Amtskollegen über den Fall
informieren.
Großbritannien hat Russland bereits um Rechtshilfe bei den Ermittlungen gebeten. Das teilte die Generalstaatsanwaltschaft in Moskau am Montag mit. Nach Angaben des Außenministeriums erteilte die russische Botschaft in London die Visa für mehrere Ermittler von Scotland Yard.
Minimale Gefahren bei Passagieren
Sorgen über mögliche
Auswirkungen des radioaktiven Poloniums auf Flugpassagiere in betroffenen
Maschinen von British Airways versuchte der Innenminister auszuräumen: "Die
Gesundheitsgefahren sind absolut minimal, soweit wir das ausmachen können",
sagte Reid.