Außenministerin

Livni ist aussichtsreichste Olmert-Nachfolgerin

31.07.2008

Der Rücktritt des israelischen Regierungschefs und Kadima-Parteichefs macht den Aufstieg der Außenministerin wahrscheinlich.

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© Reuters
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Sie gilt als einflussreichste Frau Israels - und ihr gewiefter Schachzug, den Abtritt von Parteichef Ehud Olmert zu fordern, ist gerade aufgegangen. Der unter Korruptionsverdacht stehende Olmert steht bei der Wahl der Kadima-Spitze nicht mehr zur Verfügung. Er will auch vom Amt des Regierungschefs zurücktreten, sobald seine Nachfolge geklärt ist.

Karriere-High
Die 49-jährige Livni gilt als einer der beiden aussichtsreichen Kandidaten bei der Kadima-Wahl. Sie steht kurz davor, ihre politische Karriere zu krönen: Geht der Plan auf, könnte sie der ersten und bisher einzigen Ministerpräsidentin Israels, Golda Meir (1969-74), nachfolgen. Auch Meir war zuvor Außenministerin.

Beliebte Politikerin
Im Gegensatz zu Olmert gilt Livni in Israel als ausgesprochen beliebt. Unter den ranghohen Kadima-Funktionären wird ihr mehr Rückhalt als Verkehrsminister Shaul Mofaz nachgesagt. Jetzt muss sie bis 17. September zügig ihre Anhängerschaft in der Partei ausbauen. Bisher lief für die Mutter zweier Kinder alles wie am Schnürchen: Als Verteidigungsminister Ehud Barak im Mai den Rücktritt des Regierungschefs gefordert hatte, kommentierte das israelische TV dies mit den Worten, "Barak hat den Revolver auf den Tisch gelegt, und Livni hat ihm die Kugel hingelegt". Olmert hat sich dem Druck gebeugt.

Am Sessel gesägt
Schon vor über einem Jahr forderte Livni den Rücktritt Olmerts, als er wegen der schlechten Führung des Libanon-Krieges in der Kritik stand. "Kadima muss eine neue Führung wählen und wenn die Zeit kommt, werde ich Kandidatin sein", sagte sie damals selbstbewusst. Diesmal vermied sie es, Olmerts Rücktritt als Partei- und Regierungschef explizit zu fordern. Es gebe Moralvorstellungen und ungeschriebene Normen, die für alle Bürger gelten sollten, drückte sie es aus.

Politik im Blut
Tzipi (kurz für: Tzipora) Livni hat von Kindheitstagen an mit Politik zu tun: Ihr aus Polen stammender Vater Eitan Livni war zionistischer Untergrundkämpfer der Irgun-Miliz, die tödliche Anschläge auf die britische Mandatsmacht in Palästina und palästinensische Araber verübte. Nach einem Bombenanschlag auf eine Eisenbahnstrecke wurde er 1946 verhaftet und zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt, zwei Jahre später aber gewaltsam aus der Haft befreit.

Kind des Mossad
Ihre politische Karriere begann Livni nach mehreren Jahren in der Rechtsabteilung des israelischen Geheimdienstes Mossad in der von Ariel Sharon mitbegründeten Likud-Partei, für die auch ihr Vater drei Legislaturperioden lang in der Knesset saß. 1999 wurde sie als Likud-Abgeordnete ins Parlament gewählt, danach begann ihr schneller Aufstieg.

Regionen und Justiz
Im März 2001 wurde Livni Ministerin für regionale Kooperation. Anfang 2003 wechselte sie an die Spitze des Ressorts für Integration, bevor sie Ende 2004 Justizministerin wurde. In dieser Funktion war sie an der Entscheidung über den Rückzug aus dem Gaza-Streifen beteiligt.

Hart gegen Hamas
Nach der Krise der israelischen Rechten wechselte Livni mit Sharon und Olmert die Fronten und schloss sich der neu gegründeten Kadima an. Nach nur sieben Jahren im Parlament wurde Livni im Jänner 2006 Außenministerin und damit mächtigste Frau in Israel. Ihre harte Haltung bezüglich einer Isolierung der radikalen Hamas-Regierung im Gaza-Streifen brachte Livni bei ihren Landsleuten Pluspunkte ein, ihre aufwändige Reisediplomatie und ihr Pragmatismus trugen ihr auch international Ansehen ein.

"Erst kommt Israel"
Seit der Nahost-Friedenskonferenz im US-amerikanischen Annapolis im vergangenen November führt Livni die israelische Verhandlungsdelegation an. Bei den Gesprächen folgt sie konsequent dem Prinzip: "Erst kommt die Sicherheit für Israel und dann die Gründung eines Palästinenser-Staates." Von ihrer ursprünglichen Forderung nach einem Groß-Israel ist die resolute Politikerin aber inzwischen abgerückt und hat eingesehen, dass für einen Friedensschluss einige der besetzten Gebiete abgetreten werden müssen.

Opposition fordert Neuwahlen
Oppositionsführer Benjamin Netanyahu fordert jetzt Neuwahlen. "Diese Regierung hat ihre Mission beendet", so der Chef der rechtsgerichteten Likud-Partei. Jedes Mitglied des Kabinetts von Olmert sei für "eine Serie von Misserfolgen" verantwortlich. Das Volk müsse nun bei Neuwahlen über die Regierung entscheiden, deren Mitglieder sich an ihre Stühle festklammerten, so Netanyahu.

Der durch Korruptionsvorwürfe massiv unter Druck geratene Olmert hatte am Mittwoch seinen Rückzug angekündigt. Nach der Wahl seines Nachfolgers für den Vorsitz der Kadima-Partei Mitte September werde er als Ministerpräsident zurücktreten, um eine schnelle Regierungsbildung zu ermöglichen. Olmert steht unter anderem im Verdacht, innerhalb von 15 Jahren rund 150.000 Dollar vom US-Spendensammler Morris Moshe Talansky angenommen zu haben. Gegen den seit 2006 amtierenden Regierungschef wird auch wegen Spesenbetrugs ermittelt.

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