Bosnisch-Serbischer Ex-Präsident will aber nicht Anwalt kooperieren.
Im Prozess gegen Radovan Karadzic hat das UNO-Tribunal für Ex-Jugoslawien den Londoner Anwalt Richard Harvey als Pflichtverteidiger bestellt. Das Gericht reagierte damit auf die Weigerung des Angeklagten, seinen Boykott des Verfahrens aufzugeben. Nach der Entscheidung für den mit internationalen Strafsachen vertrauten britischen Juristen am Donnerstagabend bekräftigte Karadzic seine Ablehnung eines Pflichtanwalts. Er sei nicht bereit, mit Harvey zu kooperieren, ließ der Angeklagte über einen Sprecher mitteilen.
Völkermord
Der ehemalige bosnisch-serbische Präsident ist in
elf Punkten wegen Völkermordes, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und
Kriegsverbrechen angeklagt. Er soll persönlich für die Vertreibung und
Ermordung Zehntausender Muslime und Kroaten während des Bosnien-Krieges von
1992 bis 1995 verantwortlich sein. Insgesamt fielen dem Krieg etwa 100.000
Menschen zum Opfer.
Zur Ernennung eines Pflichtverteidigers entschloss sich das UNO-Tribunal, nachdem der Angeklagte im Oktober die Eröffnung seines Prozesses boykottiert hatte. Das Verfahren war daraufhin unterbrochen worden. Da Karadzic erlaubt worden war, als sein eigener Anwalt aufzutreten, konnte das Verfahren nach der Verlesung der Anklage nicht ohne ihn fortgesetzt werden. Der nun benannte Verteidiger soll Karadzic zumindest immer dann vor Gericht vertreten, wenn dieser sich wieder weigert zu erscheinen.
Prozess wird frühestens im März fortgesetzt
Der Prozess
kann frühestens am 1. März fortgesetzt werden. Bis dahin hat Harvey Zeit,
sich in die Anklage einzuarbeiten, die einschließlich der Beweisdokumente
mehr als eine Million Seiten umfasst. Der Anwalt, dessen berufliche Laufbahn
1971 begann, war bereits früher an Prozessen vor dem Jugoslawien-Tribunal
beteiligt, darunter gegen zwei Kosovo-Albaner, denen Kriegsverbrechen zur
Last gelegt wurden. Er vertrat unter anderem die Familie eines in Nordirland
von der britischen Armee getöteten katholischen Aktivisten und war als
Rechtsberater für die Organisationen Greenpeace und Amnesty International
tätig.