Edmund Stoibers Tage als bayerischer Ministerpräsident sind gezählt. Auf dem CSU-Parteitag appelliertee er für Geschlossenheit.
Der scheidende CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber hat seine Partei nach den Führungsquerelen der vergangenen Monate dazu aufgerufen, Inhalte statt Personen in den Vordergrund zu stellen. "Die CSU ist eine Wertegemeinschaft", sagte Stoiber am Freitag auf dem Parteitag in München. "Sie wird durch Inhalte zusammengehalten und nicht durch Show." Es gehe um die besten Lösungen für die Sorgen und Nöte der Menschen. Stoiber rief die rund 1000 Delegierten dazu auf, auch künftig die CSU als Volkspartei zu bewahren. Die CSU wolle politische Heimat für alle sozialen Schichten sein, betonte er.
Edmund Stoiber auf dem Parteitag in München (c) AFP
"Kultur der Werte"
Stoiber forderte nachdrücklich eine "Kultur
der Werte". "Wir sagen Ja zur deutschen Leitkultur", betonte er. "Wenn wir
zu unseren Werten stehen, bleiben uns die Menschen treu". In seiner
Eröffnungsrede griff Stoiber den Berliner Koalitionspartner SPD und die
Partei "Die Linke" scharf an und hielt beiden "sozialistische
Staatsgläubigkeit" vor. Mit Blick auf die Grünen sagte er, mit diesen könne
man keine Politik für Deutschland machen - "heute nicht und morgen nicht".
Zudem forderte der scheidende CSU-Chef eine Abgrenzung von der FDP.
Am ersten Tag des Parteitreffens verabschiedeten die 1000 Delegierten das neue CSU-Grundsatzprogramm. Gastrednerin beim Parteitag und Laudatorin auf Stoiber war Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Am Samstag steht die Wahl des neuen CSU-Chefs auf dem Programm.
Pauli blitzt ab
Mit zwei Anträgen zum neuen
CSU-Grundsatzprogramm erntete die fränkische Kommunalpolitikerin derbe
Abfuhren: Es rührte sich unter den rund 1.000 Delegierten keine einzige Hand
- außer ihrer eigenen. Die Landrätin erscheint in ihrer Partei weitgehend
isoliert. Pauli reagierte äußerlich gefasst: "Mir ist schon klar gewesen bei
einigen meiner Aussagen, dass das hier nicht ins Bild passt. Aber danach
richte ich mich nicht." Sie glaube, dass einige Delegierte zu diszipliniert
seien, um ihr zuzustimmen, und lieber auf Parteilinie blieben.
Edmund Stoiber, Günther Beckstein (c) Reuters
Beckstein nominiert
Stoiber stand seit 1993 an der Spitze der
Regierung und war seit 1999 auch noch Parteichef. Jetzt wird die Macht
wieder aufgeteilt: Zum Ministerpräsidenten hat die CSU-Landtagsfraktion
Günther Beckstein nominiert, seine Kür zum Spitzenkandidaten 2008 durch den
Parteitag gilt als Formsache.
Horst Seehofer, Erwin Huber (c) AP
Als haushoher Favorit für den Parteivorsitz geht sein einstiger Konkurrent und neuer Tandempartner Erwin Huber ins Rennen. Auch Huber selbst rechnet inzwischen mit einem klaren Sieg im ersten Wahlgang gegen Bundesagrarminister Horst Seehofer und die Fürther Landrätin Gabriele Pauli. Hier lesen: Pauli für befristeten Ehevertrag
Sorgt für Wirbel: Fürther Landrätin Pauli (c) AP
CSU-Vorstandsmitglieder warnten, der Bundesminister und stellvertretende Parteichef könnte durch ein blamables Ergebnis beschädigt werden und den Bettel hinschmeißen. Seehofer versichert aber, dass er bei einer Niederlage beide Ämter fortführen würde. Dafür sagen ihm auch Huber-Anhänger ein überwältigendes Ergebnis bei der Kür der Stellvertreter voraus. Keine Chance auf einer Mehrheit unter den 1.000 Delegierten wird Pauli eingeräumt, die mit ihren Bespitzelungsvorwürfen den Weg zum Putsch der Landtagsfraktion gegen Stoiber freigemacht hatte. Sie muss sogar möglicherweise um ihre Wiederwahl in den CSU-Vorstand bangen.
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Der Parteitag will am Freitag kommender Woche zunächst das neue CSU-Grundsatzprogramm verabschieden und mit Bundeskanzlerin Angela Merkel Stoibers 66. Geburtstag und sein Lebenswerk feiern. Für ausgeschlossen halten es Präsidiumsmitglieder, dass Stoiber in seiner Abschiedsrede am Samstag Stimmung gegen Huber und Beckstein machen könnte. Die Absprache der beiden hatte in Kreuth Stoibers Sturz besiegelt. Seine Hoffnung, nach einem Stimmungsumschwung könnte der Parteitag ihn vielleicht doch noch zum Bleiben auffordern, hatte die CSU Oberbayern im Sommer endgültig zunichte gemacht.
Huber ist 61, Beckstein 63 Jahre alt. "Der Königsmord von Kreuth hat einen geordneten Generationenübergang nicht mehr ermöglicht", sagt der Passauer Politikprofessor Heinrich Oberreuter. "Weil Beckstein und Huber die Chance sahen, ihre Lebensträume doch noch zu verwirklichen, wurde die Generationen hinter ihnen vertröstet, noch eine Runde Erfahrung zu sammeln."
Markus Söder (c) dpa
Neuer Generalsekretär gesucht
Da Huber als Parteichef erst nach
der Landtagswahl 2008 nach Berlin wechseln möchte, wird erwartet, dass er
einen jüngeren Berliner CSU-Abgeordneten zum CSU-Generalsekretär ernennen
würde. Mit einer Frau könnte er zusätzlich punkten. Im Gespräch ist die
42-jährige Ilse Aigner. Stoibers Generalsekretär Markus Söder wird als
Nachfolger des bayerischen Umweltministers Werner Schnappauf gehandelt. Die
CSU habe nicht so viel Personal in dieser Generation, dass Söder in ein Loch
fallen könnte, erklärte ein Kabinettsmitglied.
Klarheit über den Generalsekretär ist auf dem Parteitag noch nicht zu erwarten. Huber sagte, er habe mehrere Namen im Kopf, wolle aber mit Beckstein nach dessen Wahl am 9. Oktober ein Gesamtpaket schnüren.
Mit Bedacht hat der designierte Ministerpräsident den 16. Oktober ausgewählt, um sein Kabinett zu vereidigen und damit den Schlussstrich unter die größte Krise in der Geschichte der CSU zu ziehen. Denn an diesem Tag regiert die Partei den Freistaat seit genau 50 Jahren ununterbrochen.
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Trotz langer Götterdämmerung, Chaos und Machtkampf scheint die CSU weiter fest im Sattel zu sitzen. Dass sie in Umfragen weiterhin über 50 Prozent kommt und die Opposition nicht im Aufwind, hat nach Ansicht Oberreuters mehrere Gründe. Zum Einen stehe der Freistaat im Ländervergleich gut da, was die Wähler mit der CSU verbänden. Zum Andern sei sie im Gegensatz zur Opposition flächendeckend organisiert und reagiere flexibel, wenn der Wind sich dreht - Beispiel Kinderkrippen und Ganztagsschulen. Die SPD beklagt immer wieder, dass ihr die CSU gute Ideen einfach klaut. Aber die bayerische Opposition mache der CSU das Leben auch nicht sehr schwer, sagt Oberreuter: Sie sei "bisher nicht aufgefallen durch ein besonders attraktives Programm oder besonders überzeugendes Personal". Zugpferde wie der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude blieben lieber in der Kommunalpolitik.
Doch auf den neuen CSU-Chef warten dringende Aufgaben. Regionalverbände, Generationen und ehrgeizige Mandatsträger belauern sich eifersüchtig. In mehreren Ortsverbänden treten CSU-Politiker für die Kommunalwahlen im März auf konkurrierenden Listen an. In Regensburg hat ein rechtslastiger Stadtrat die CSU gespalten - hier gab es "eklatantes Führungsversagen", sagt Oberreuter. "Die CSU braucht wieder klare Führung", aber auch "mehr offene Diskussion" und Mitsprache. Kooperativer Führungsstil heißt die Gratwanderung für Stoibers Nachfolger. Ihre Feuerprobe wird die Verteidigung der absoluten CSU-Mehrheit bei der Landtagswahl 2008 sein.