Die beiden Parteien küren in den nächsten Wochen ihren Spitzenkandidaten, Obama will als erster schwarzer Präsident Geschichte schreiben.
Mit den Nominierungsparteitagen von Demokraten und Republikanern tritt der US-Präsidentschaftswahlkampf gut zwei Monate vor der Wahl am 4. November in die heiße Phase. Den Anfang machen die Demokraten. Sie werden nächste Woche in Denver mit Senator Barack Obama erstmals einen Schwarzen zum Präsidentschaftskandidaten küren. Eine Woche später werden die Republikaner in St. Paul im Staat Minnesota Senator John McCain offiziell zu ihrem Spitzenkandidaten für die Nachfolge des scheidenden Präsidenten George W. Bush nominieren.
Kopf an Kopf-Rennen
In einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage
des Fernsehsenders CBC News und der Zeitung "New York Times" kam Obama auf
45 Prozent, McCain auf 42 Prozent, ebenso in einer Umfrage von NBC und dem
Wall Street Journal. In einer Befragung für "Los Angeles Times" und
Bloomberg kam McCain mit 43 Prozent sogar auf zwei Prozentpunkte an seinen
Rivalen heran. Da die Fehlermarge mit drei Prozentpunkten angegeben wird,
liegen die beiden Rivalen mittlerweile Kopf an Kopf. Noch vor zwei Wochen
war lag Obama mit sechs Punkten in Führung gelegen.
Erster afroamerikanischer Spitzenkandidat
Der am Montag
beginnende Wahlparteitag der Demokraten dürfte in die Geschichte eingehen.
Noch nie zuvor hat eine der großen Parteien in den Vereinigten Staaten einen
afroamerikanischen Politiker zu ihrem Spitzenkandidaten auserkoren. Der
47-jährige Obama hat allen Meinungsumfragen zufolge echte Chancen, als
erster Schwarzer ins Weiße Haus einzuziehen. Der neue Hoffnungsträger der
Demokraten, der seinen Landsleuten einen Wandel (Change) verspricht, liegt
in den Erhebungen derzeit knapp vor seinem republikanischen Rivalen McCain.
Obama will zum "schwarzen Kennedy" werden
Barack Obama
sucht das grandiose Krönungsfest. Der Nominierungsparteitag der Demokraten
in Denver (US- Bundesstaat Colorado) soll zur spektakulären Bühne für den "schwarzen
Kennedy" werden, wie er sich nicht ungern nennen lässt. Der
charismatische Senator aus Illinois will Geschichte schreiben und der erste
schwarze Präsident Amerikas werden. "Dies ist eine historische
Wahl, dies ist unsere Zeit, die Welt zu verändern!" - mit seiner
Botschaft der "Hoffnung" und des "Wandels" wird Obama
vor die Nation treten. "Ich bin zum Symbol für die Möglichkeit
geworden, dass Amerika zu seinen besten Traditionen zurückfindet",
betont er selbstbewusst.
Aber auch wenn seine Anhänger immer wieder begeistert die Parole skandieren "Yes, we can" (Ja, wir schaffen es!), lauern auf Obamas Weg zur Spitze der Supermacht viele Tücken. Der Senator muss selbst in Denver trotz aller Solidaritätsbeteuerungen Parteifreunde wie Hillary Clinton fürchten, die nur im Falle seiner Niederlage am 4. November noch eine Chance haben kann, erste Präsidentin der USA zu werden. Und der neue Superstar der Demokraten weiß um die Fähigkeiten der republikanischen "Spin-Doktoren" und die politischen Giftpfeile dieser Wahlkampfprofis, die ihn als belanglosen Popstar oder scheinheiligen Möchtegern-Messias verspotten.
Obama möchte, dass das Volk den Präsidenten wieder lieben und die Welt ihn achten kann. Und schon jetzt wird er in einem Maße verehrt, dass die Republikaner mit Millionenaufwand wahre Breitseiten an spöttischen TV-Spots auf die "berühmteste Person der Welt" abfeuern - und insgeheim doch seine umwerfende Ausstrahlung und seine rhetorische Wucht fürchten.
McCain bleibt gefährlich für Obama
Seit Wochen schon
belegt der Republikaner seinen Rivalen Barack Obama mit einem Sperrfeuer
unverhohlen abschätziger Fernsehspots. Vorbei die Zeit, als der 71-Jährige
das Rennen ums Weiße Haus einen "Streit unter Freunden"
nannte. Das US-Magazin "Time" konstatierte: "Ein völlig neuer
McCain." Plötzlich ist er wieder im Rampenlicht, nachdem ihm nicht nur
die rhetorische Brillanz Obamas die Schau zu stehlen drohte. McCain macht
seinem Ruf als Stehaufmännchen abermals alle Ehre - für seinen jungen
Kontrahenten bleibt er brandgefährlich.
Der Senator aus Arizona muss sich dem Kampf an vielen Fronten stellen: Da ist das Alter ("Ich bin älter als Dreck, mit mehr Narben als Frankenstein", scherzt er selbst). Da sind die Zweifel über seine Gesundheit, sein Kampf gegen den Hautkrebs. McCains aufbrausendes Temperament brachte ihm den Beinamen "weißer Tornado" ein. Den Rechten der Partei ist er nicht fromm genug, liberale Republikaner stoßen sich an seiner Unterstützung für den Krieg im Irak, wo er sich auch in 100 Jahren noch US-Truppen vorstellen kann. Und nicht zuletzt sitzt ein Amtsinhaber und Parteifreund im Weißen Haus mit den schlechtesten Umfragewerten seit Richard Nixon.
Kaum jemand zweifelt daran, dass sich McCain die Nominierung seiner Partei vor allem deshalb sichern konnte, weil das Feld der Mitbewerber allzu dürftig war. Für den Senator war es eine späte Genugtuung, nachdem er sich vor acht Jahren bereits nach einer brutalen Schmutzkampagne Bushs hatte geschlagen geben müssen. Vor einem Jahr hatte niemand mehr einen Cent auf ihn gewettet, als alle Welt einen Sieg von New Yorks Ex-Bürgermeister Rudolph Giuliani erwartete und McCains Wahlkampf finanziell ausgeblutet war.