Der mutmaßliche Kriegsverbrecher soll mindestens 20 Mal im Visier einer US-Spezialeinheit gewesen sein, laut einer Expertin werde die Fahndung derzeit "simuliert".
Der meist gesuchte mutmaßliche Kriegsverbrecher in Ex-Jugoslawien, Ratko Mladic, hätte angeblich schon im Jahr 1996 festgenommen werden können. Dies berichtet die serbische Tageszeitung "Vecernje novosti" am Dienstag unter Berufung auf eine umfangreiche Analyse, die 300 Experten unter Leitung des US-Historikers Charles Ingrao in fünfjährigen Recherchen verfasst haben. Eine US-Sondereinheit habe den bosnisch-serbischen General zwischen Februar und Ende Juli 1996 mindestens 20 Mal im Visier gehabt.
USA lag nichts an der Festnahme
"Dem Pentagon war es überhaupt
nicht daran gelegen, die für Kriegsverbrechen Angeklagten im Raum
Ex-Jugoslawiens festzunehmen. Ganz im Gegenteil, die US-Truppen unternahmen
alles, um andere Angehörige der internationalen Schutztruppe in Bosnien
daran zu hindern, die Flüchtigen, namentlich Mladic und (Radovan) Karadzic,
der Gerechtigkeit vorzuführen", wurde die 420 Seiten umfassende Analyse
"Auseinandersetzung mit jugoslawischen Kontroversen" ("Confronting the
Yugoslav Controversies") vom Blatt zitiert.
Treffen zwischen Mladic und US-Oberst
Mladic sei von der
US-Sondereinheit wiederholt verfolgt worden, als er sich zwischen der
ostbosnischen Ortschaft Zepa (früherer Sitz des Stabs des 65. Regimentes der
Truppen der Republika Srpska) und Han Pijesak (Hauptstab Mladic' unweit von
Sarajevo) bewegt habe. "Bei einigen anderen Angelegenheiten wurde der
US-Oberst John Batista von Angehörigen der Einheit begleitet, als er im
Hauptstab der bosnisch-serbischen Truppen mit Mladic zusammengekommen war.
Das Thema der Treffen waren angeblich die Bedingungen, unter welchen sich
Mladic stellen würde", steht in der Analyse.
Zahlreiche Gelegenheiten für Verhaftung
Natasa Kandic,
Leiterin des Belgrader Fonds für humanitäres Recht, sagte dem Belgrader
Sender B-92 am Dienstag, es sei im Jahr 1996 allgemein bekanntgewesen, dass
die in Bosnien stationierten internationalen Truppen wiederholt in der Lage
gewesen seien, Mladic und den früheren bosnisch-serbischen Präsidenten
Karadzic festzunehmen. Erstaunlich sei die Begründung gewesen, dass sie kein
entsprechendes Mandat dazu hätten.
"Simulierte" Fahndung?
Die Belgrader Menschenrechtlerin
führte die weiterhin ergebnislose Fahndung der serbischen Behörden nach
Mladic auf den "zwischeninstitutionellen Konflikt" zurück. Es gebe in
Belgrad weiterhin Institutionen, die Mladic unterstützten. Niemand wage
offen zu sagen, dass es ein ernstes Problem in den Institutionen gebe,
meinte Kandic, deren Ansicht nach die Fahndung nach dem einstigen
Militärchef der bosnischen Serben zurzeit nur "simuliert" würde.