Bolivien

Neue Verfassung bringt Indios mehr Wohlstand

25.01.2009

Bolivien stimmte dem neuen Grundgesetz mehrheitlich zu - Die Reichen und die Kirchen waren dagegen.

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In einer Volksabstimmung hat sich am Sonntag eine Mehrheit der Bolivianer für die von Präsident Evo Morales unterstützte neue Verfassung ausgesprochen. Nach ersten Auszählungen stimmten rund 57 Prozent für und 43 Prozent gegen den Entwurf. Die Abstimmung verlief friedlich. Die neue Verfassung soll die Rechte der indianischen Bevölkerungsmehrheit im ärmsten Land Südamerikas stärken und ermöglicht dem Präsidenten eine weitere Amtszeit.

Reiche waren dagegen
In den fünf wohlhabenden Regionen Santa Cruz, Tarija, Chuquisaca, Beni und Pando gab es eine breite Mehrheit gegen die Verfassung. Den dortigen Gouverneuren geht es gegen den Strich, dass ein Teil ihrer Einnahmen, in die ärmeren Gegenden fließen soll. Für die Annahme der Verfassung reicht die absolute Mehrheit.

Kolonialismus aufarbeiten
Morales, der dem Volk der Aymara angehört, sieht in der Abstimmung den Höhepunkt eines jahrhundertelangen Kampfes, dessen Wurzeln bis in die Zeiten der spanischen Eroberung zurückreichen: "Wir werden die Ketten der Diskriminierung, der Spaltung, des Rassismus, der Unterwerfung, des Kolonialismus und der Erniedrigung brechen", sagte er am Donnerstag, dem dritten Jahrestag seines Amtsantritts.

Mehr Rechte für Indios
Die neue Verfassung enthält Bestimmungen, die der indianischen Bevölkerungsmehrheit mehr Rechte geben sollen. 36 ihrer "Nationen" erhalten Garantien für eine Selbstbestimmung. Für kleinere Völker neben den Aymara und Quechua werden Sitze im Parlament reserviert. Auch erkennt der Staat die traditionelle indianische "Gemeinschaftsjustiz" an. Die Richter des Obersten Gerichts sollen künftig gewählt und nicht mehr vom Präsidenten ernannt werden.

Landbesitz beschränken
Landbesitz soll - je nach Entscheidung in der Volksabstimmung - auf 5.000 oder 10.000 Hektar begrenzt werden. Der Staat kann Land beschlagnahmen, das keine "soziale Funktion" erfüllt.

Präsident kann bleiben...
Besonders im Blickpunkt steht eine andere Änderung: Bisher sind maximal zwei Amtszeiten des Präsidenten möglich, die aber nicht direkt aufeinanderfolgen dürfen. Diese Einschränkung soll abgeschafft werden, so dass das Staatsoberhaupt zwei Amtszeiten von jeweils fünf Jahren in Folge absolvieren kann. Das würde Morales ermöglichen, den Andenstaat bis 2014 zu regieren.

... aber nicht drei Mal
Ursprünglich strebte Morales insgesamt drei Amtszeiten an. Das Parlament setzte das Referendum aber erst an, nachdem der Präsident im Oktober darauf verzichtet hatte.

Vorschub für Zersplitterung?
Kritiker wenden ein, dass die Stärkung von Indianerrechten die Bemühungen um eine Einigung des ethnisch zerrissenen Landes beeinträchtige. Der Oppositionsbewegung im östlichen Tiefland kommt der Verfassungsentwurf insoweit entgegen, als die dortige Landwirtschaft von der Obergrenze für Landbesitz ausgenommen sein soll. Auch sollen die dortigen Gliedstaaten eine begrenzte Autonomie erhalten.

Kirchen waren auch dagegen
Um den Inhalt der Verfassung war lange gerungen worden. Zu den Gegnern der Reform zählten außer den rohstoffreichen Tieflandregionen auch die christlichen Kirchen. Diese befürchten, die neue Verfassung könne Abtreibungen und die gleichgeschlechtliche Ehe ermöglichen.

Dicke Freunde
Morales ist ein enger Verbündeter des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez. Er teilt auch dessen ablehnende Haltung gegenüber der Außen- und Wirtschaftspolitik der USA. Mit seiner bisherigen Reformpolitik hat Morales die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Bei einer Volksabstimmung über seine Amtsführung erhielt er im August vergangenen Jahres eine Unterstützung von 67 Prozent.

Die Verfassungsdebatte löste 2007 heftige Unruhen aus, bei denen drei Studenten ums Leben kamen. Im September vergangenen Jahres wurden 13 Menschen, überwiegend Anhänger von Morales, getötet, als Regierungsgegner Behördengebäude besetzten, um das Verfassungsreferendum zu stoppen.

Foto der jubelnden Menge: (co) Reuters

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