Nach Mord an Dink

Nun auch Drohung gegen Nobelpreisträger Pamuk

Teilen

Der Extremist, der den Mörder des Journalisten Hrant Dink zum Attentat angestiftet hat, warnte vor Gericht: "Orhan Pamuk, seien sie clever!"

Einer der Verdächtigen im Fall der Ermordung des türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink hat offenbar den Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk bedroht. "Orhan Pamuk, seien sie clever!", rief der nationalistische Extremist Yasin Hayal am Mittwoch, als er einem Gericht in Istanbul vorgeführt wurde. Hayal hat nach Angaben der Polizei gestanden, den jugendlichen Mörder Dinks zu der Tat angestiftet und die Mordwaffe bereitgestellt zu haben. Wie Dink war auch Pamuk mehrfach wegen "Verunglimpfung des Türkentums" vor Gericht gestellt worden. Er wurde im vergangenen Jahr mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet.

Kritik am "Türkentum"-Paragrafen 301
Pamuk hat die Justiz und die Regierung scharf kritisiert. Schuld an Dinks Tod trügen vor allem all jene, die an dem berüchtigten "Türkentum"-Paragrafen 301 des Strafgesetzbuches festhielten, sagte Pamuk nach einem Beileidsbesuch bei Dinks Familie und bei dessen Zeitung "Agos". Ungeachtet mehrfacher Aufforderung durch die EU hat sich die türkische Regierung bisher geweigert, den Strafgesetzbuch-Paragrafen zu beseitigen. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte nach Dinks Tod angeordnet, dass Pamuk und andere prominente "301-Opfer" unter Polizeischutz gestellt werden.

Indes rief der armenisch-apostolische Patriarch von Istanbul, Mesrob II. Mutafyan, zu verstärkten Anstrengungen gegen die "Armenier-Feindlichkeit" in der türkischen Gesellschaft auf. Damit müsse in den Schulen und Schulbüchern begonnen werden, sagte der Kirchenführer am Dienstag bei der Trauerfeier für den Ermordeten in der Patriarchatskirche von Istanbul. Die Armenier in der Türkei, "die seit Tausenden von Jahren auf diesem Boden leben", dürften nicht länger als "Ausländer und potenzielle Feinde" betrachtet werden.

Zugleich gab der Patriarch seiner Hoffnung auf einen Dialog zwischen der Türkei und Armenien Ausdruck. Dink habe sich für einen solchen Dialog eingesetzt und sich mutig allen Widerständen gestellt. Die Trauerfeier für Dink, an der auch Abgesandte der armenischen Regierung teilnahmen, habe Politiker aus der Türkei und Armenien zusammengeführt, sagte Mesrob II. "Es hätte Dink wie uns alle glücklich gemacht, wenn sich hieraus ein echter Dialog entwickeln würde", sagte der armenische Patriarch.

Grenze Türkei-Armenien geschlossen
Wegen ihrer gegensätzlichen Haltung zum Massenmord an den Armeniern im Osmanischen Reich gibt es bisher keine Beziehungen zwischen der Türkei und dem Nachbarland Armenien. Die Grenze zwischen den beiden Ländern ist geschlossen. Der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel, das Oberhaupt der Weltorthodoxie, hatte vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarates in Straßburg einen Rechtsstatus für die christlichen Kirchen in der Türkei gefordert. Bartholomaios verwies aber auch auf die Fortschritte der Türkei bei der Anpassung an europäische Normen. "Wir haben zu allen Zeiten die europäischen Perspektiven der Türkei hinsichtlich ihrer Aufnahme in die Europäische Union unterstützt", sagte der Ökumenische Patriarch.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.

Hrant Dink, 53-jähriger türkisch-armenischer Journalist, liegt tot am Boden. Er wurde mit Schüssen in den Kopf und den Körper niedergestreckt.

Dink war der prominenteste Vertreter der armenischen Minderheit in der Türkei. Seine ungeschminkten Äußerungen über die blutige Verfolgung der Armenier brachten ihm Morddrohungen ein.

Der Täter feuerte drei Schüsse ab - Dink war auf der Stelle tot.

Der Journalist Dink war Herausgeber der Wochenzeitung "Agos". Er war wegen "Beleidigung des Türkentums" zu einer Haft von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt.

Der Mörder hatte Dink angerufen und ihn vor die Tür seines Büros gebeten. Dort erschoss er ihn aus nächster Nähe.

Möglicherweise wurde der Täter von einer Überwachungskamera gefilmt.

Demonstranten stellten Kerzen auf. Stummer Protest gegen einen Mord, der die Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei beeinflussen wird.

Tausende Menschen haben gegen die Ermordung Dinks protestiert. Unterdessen hat die Polizei drei Verdächtige festgenommen.

OE24 Logo
Es gibt neue Nachrichten