Nach seinem Sager über "verbitterte Kleinstädter" ist Barack Obama in die Defensive gedrängt und kämpft um seine Glaubwürdigkeit.
Der demokratische Präsidentschaftskandidat Barack Obama ist eine Woche vor den entscheidenden Vorwahlen in Pennsylvania in die Defensive geraten. Nach einer abfälligen Bemerkung über sozial Schwache muss sich der 46-Jährige gegen den Vorwurf verteidigen, er sei arrogant und elitär. Der an der Elite-Universität Harvard ausgebildete Jurist wäre nicht der erste Bewerber, der daran scheitert, kein glaubwürdiger Mann des Volkes zu sein.
Entschuldigungs-Tour
Seit Tagen macht Obama keine Schlagzeilen
mehr, weil er die Menschen mit seinem Slogan "Yes, we can!"
aufrüttelt und sie wieder an ein erneuertes Amerika glauben lässt. Obama ist
nun damit beschäftigt, sich zu entschuldigen: Er bedauere seine Bemerkungen,
er habe seine Worte schlecht gewählt, er sei missverstanden worden, er werde
bewusst falsch interpretiert, sagt der Senator, der von seinen Anhängern
gerade wegen seiner Wortwahl und glänzenden Rhetorik verehrt wird. Nun droht
sich zu rächen, was bisher ein Vorteil war: Der als Intellektueller geltende
Schwarze wurde nicht von Arbeitern und einfachen Angestellten, sondern von
Studenten und einer gut ausgebildeten Schicht auf die Welle der Begeisterung
gespült, die er so elegant reitet.
Rede im Internet veröffentlicht
Obama sagte über "diese
Kleinstädte in Pennsylvania", das seit langem wirtschaftlich
angeschlagen ist: "Es ist nicht überraschend, dass die Menschen
bitter werden und sich ihr Frust darüber äußert, dass sie sich an Waffen
oder Religion klammern oder Leute nicht mögen, die nicht wie sie sind, oder
dass sie gegen Einwanderer oder freien Handel sind." Die
Worte fielen vor mehr als einer Woche hinter verschlossenen Türen bei einem
Essen mit reichen Spendern in San Francisco. Seit Freitag sind sie im
Internet zu finden.
Clinton nutzt Gunst der Stunde
Weiße Arbeiter stellen den
größten Wähleranteil in Pennsylvania. Umfragen zufolge kann der aus
einfachen Verhältnissen stammende Obama zwar auch bei dieser
Stamm-Wählerschaft seiner ärgsten innerparteilichen Rivalin Hillary Clinton
kräftig punkten. Clinton liegt aber nach wie vor vorne und ist dankbar auf
Obamas Steilflanke eingestiegen: Es sei nicht hilfreich, ein gebildetes
Amerika von einem ungebildeten zu unterscheiden, sagte sie. "Wer
Präsident aller Amerikaner sein will, muss alle Amerikaner respektieren."
Problem der Glaubwürdigkeit
Nun steht der jüngste Bewerber
im Rennen vor dem Problem, wie er sich Mann und Frau auf der Straße
empfehlen kann, ohne sich lächerlich zu machen. Er spickt seine Reden
inzwischen mit Seitenhieben gegen die üppigen Saläre der Spitzenmanager,
flirtet mit Fabrikarbeiterinnen, macht Wahlkampf in Coffee-Shops und
versucht sich beim Arbeitersport Kegeln - ohne viel zu treffen. Als der
Demokrat John Kerry vor vier Jahren mit einem Jagdausflug Volksnähe
demonstrieren wollte, war dies der Anfang seines politischen Endes: Das Team
von George W. Bush machte sich wochenlang lustig über ihn.