Der Oberste Richter Englands sorgt für Aufruhr: Er will Teile der Scharia im britischen Recht verankern - zur Lösung von Familienstreitigkeiten.
Grundsätze des islamischen Scharia-Rechtssystems sollten nach Ansicht des Obersten Richters von England und Wales auch in Großbritannien zur Beilegung von Streitigkeiten akzeptiert werden. Er sehe "keinen Grund dafür, dass die Scharia oder andere religiöse Regelsätze nicht Grundlage außergerichtlicher Einigungen" sein könnten, sagte Lord Phillips nach Angaben des Senders BBC vom Freitag bei einer Rede im Ostlondoner Muslimischen Zentrum.
Kritik an Anglikaner-Oberhaupt
Der Chefrichter stellte sich
damit am Donnerstagabend hinter ähnliche Forderungen, mit denen das
Oberhaupt der Anglikanischen Kirche, Rowan Williams, vor einem halben Jahr
scharfe Kritik ausgelöst hatte. Der Erzbischof von Canterbury hatte darauf
verwiesen, dass in Großbritannien 1,7 Millionen Muslime leben und erklärt,
dass es "unvermeidlich" sei, Elemente der Scharia im britischen Zivilrecht
anzuerkennen.
Bei Familienstreitigkeiten
Ähnlich wie Williams sagte jetzt
auch Lord Phillips, dass es unter Muslimen im Vereinigten Königreich längst
Praxis sei, die Scharia zur Lösung von Familien- oder Vertragsstreitigkeiten
heranzuziehen. Es sei selbstverständlich, dass niemals Strafen wie das
Auspeitschen, Steinigen oder Abhacken von Händen akzeptiert werden könnten,
betonte der Oberste Richter. Klar sei auch, dass die Rechtsprechung von
Gerichten allein auf der Basis britischer Gesetze erfolge.
Den Vorstoß des Erzbischofs von Canterbury hatten im Februar Premierminister Gordon Brown und zahlreiche andere Politiker rundweg abgelehnt. Auch das Oberhaupt der Katholischen Kirche von England und Wales, Kardinal Cormac Murphy O'Connor, hatte sich klar dagegen ausgesprochen. "Wenn Leute in dieses Land kommen", meinte O'Connor, "dann haben sie sich an seine Gesetze zu halten."