Das Kopftuchverbot an Unis in der Türkei ist aufgehoben. Jetzt klagt die Opposition auf die Verfassung - und will den Laizismus retten.
Zwei türkische Oppositionsparteien haben am Mittwoch eine Verfassungsklage gegen die kürzlich vom Parlament beschlossene Freigabe des islamischen Kopftuchs (Türban) für Studentinnen eingereicht. Das Gericht solle die Parlamentsentscheidung für null und nichtig erklären, sagte der Generalsekretär der kemalistischen Partei CHP, Önder Sav, nach Einreichung des Antrags vor Journalisten in Ankara. Die CHP und die kleinere Kemalisten-Partei DSP wollen mit der Klage die Verfassungsänderung rückgängig machen, mit der das Parlament am 9. Februar das Kopftuchverbot abgeschafft hatte.
Verfahren wird mehrere Monate dauern
Die Gesetzesänderung war am
vergangenen Wochenende von Staatspräsident Abdullah Gül in Kraft gesetzt
worden. Die Republikanische Volkspartei CHP und die Demokratischen
Linkspartei DSP argumentieren, die Parlamentsentscheidung sei ein Verstoß
gegen das übergeordnete Prinzip des Laizismus. Noch ist aber offen, ob das
Verfassungsgericht die Entscheidung des Parlaments inhaltlich prüfen wird
oder sich auf eine Untersuchung auf eventuelle Formfehler beschränkt. Das
Verfahren wird voraussichtlich mehrere Monate dauern.
Die Kemalisten, die sich auf Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk berufen, betrachten das islamisch geknotete Kopftuch (Türban) als Symbol des politischen Islam, das aus staatlichen Institutionen herausgehalten werden müsse. Sie werfen der konservativ-islamischen Regierungspartei AKP, die die Abschaffung des Kopftuch-Verbots im öffentlichen Raum betreibt, vor, das laizistische System zu unterminieren. Die Abschaffung des Verbots an Universitäten sei nur ein erster Schritt, wird befürchtet.
Zwei von drei Frauen tragen Kopftuch
Dagegen argumentieren
Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und andere Anhänger der
Kopftuch-Freiheit, es sei ungerecht, jungen Frauen wegen ihrer Kleidung das
Recht auf eine Hochschulbildung zu verweigern. Zwei von drei Frauen in der
Türkei tragen das Kopftuch; nach Umfragen ist die große Mehrheit der Türken
für eine Freigabe des Kopftuchs an den Unis. Die Ehefrauen und Töchter
wichtiger AKP-Politiker trafen den "Türban", so die Frauen von Premier
Erdogan, von Staatspräsident Abdullah Gül und des Wirtschaftsministers und
EU-Verhandlers Ali Babacan.
Inzwischen gibt es auch einen Konflikt zwischen dem Präsidenten der Hochschulbehörde YÖK, Yusuf Ziya Özcan, und den mehrheitlich laizistischen Rektoren, die sich dessen Anweisung zur Aufhebung des Türban-Verbots widersetzen. Die Rektoren verlangen vor der Zulassung von "Türban"-Trägerinnen an den Universitäten zusätzlich eine Änderung des Artikels 17 des Hochschulgesetzes.