Die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen gehen nach der ersten Prognose mit einem gewaltigen AfD-Beben, das ganz Deutschland erschüttert, ins Ziel. Die Partei ist so stark wie nie.
In Deutschland haben die Freistaaten Thüringen und Sachsen heute gewählt.
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Die deutsche Politik steht Kopf
Die beiden Landtagswahlen stellen die deutsche Politik auf den Kopf. Während die Parteien der deutschen Ampel-Regierung (SPD, Grüne, FDP) herbe Verluste einstecken müssen, triumphiert die Alternative für Deutschland (AfD) im Osten von Deutschland und wird so stark wie nie.
Höcke siegt in Thüringen
Björn Höcke, der umstrittene AfD-Parteichef in Thüringen - er wird vom Verfassungsschutz als Rechtsextremist eingestuft-, ist der große Wahlsieger im Freistaat an der Grenze zu Bayern. Seine Partei schafft mit 32,0 bis 33,2 Prozent (ARD- und ZDF-Hochrechnungen) zum ersten Mal Platz 1 bei einer deutschen Landtagswahl. Auf Platz 2 landet die CDU mit 23,9 bis 24,2 Prozent. Beiden Parteien können zulegen - die AfD um etwa 9 Prozent, die CDU knapp 3 Prozent. Die Wagenknecht-Partei (BSW) wird mit 15,4 bis 15,7 Prozent Dritter. Amtsinhaber, Ministerpräsident Bodo Ramelow, stürzt mit seiner Linkspartei auf Platz 4 ab (11,4 bis 12,6 Prozent). Die Grünen müssen eine herbe Schlappe verkraften, sie fliegen mit 3,5 bis 3,9 Prozent aus dem Landtag.
Der AfD-Chef in Thüringen: Björn Höcke
Bodo Ramelow, der einzige Ministerpräsident der Linkspartei in Deutschland, verliert in Thüringen dramatisch.
Das sind die Gewinne und Verluste der einzelnen Parteien in Thüringen:
- AfD: plus etwa 9 Prozent
- CDU: plus etwa 3 Prozent
- Linke: minus etwa 19 Prozent
- SPD: minus knapp 2 Prozent
- Grüne: minus etwa 1,5 Prozent
- BSW (neu): plus 15,4 bis 15,7 Prozent
Das sind jetzt mögliche Koalitions-Überlegungen in Thüringen:
- Keiner will mit der Höcke-AfD! in Thüringen ist es völlig unklar, ob überhaupt eine Koalition zustande kommt oder ob das Land nach der Wahl nicht schon wieder vor Neuwahlen steht. Eine mögliche Konstellation wäre ein Bündnis aus CDU, BSW und SPD. Die drei Parteien kämen dann unter einem Ministerpräsident der CDU auf 46 Sitze von insgesamt 88 Sitzen.
Knappes Rennen in Sachsen
Auch in Sachsen kann die AfD massiv dazugewinnen. Doch: Die CDU schafft es, Platz 1 knapp zu behaupten - mit 31,7 Prozent. Es scheint als könne Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sein Amt verteidigen. Die AfD landet dahinter auf Platz 2 mit 30,6 bis 31,4 Prozent. Die neue Wagenknecht-Partei landet in Sachsen aus dem Stand auf dem dritten Platz mit 11,5 bis 12,0 Prozent. Die beiden Berliner Regierungsparteien SPD und Grüne schaffen es in Sachsen mit 7,5 bis 7,8 Prozent bzw. 5,2 Prozent in den Landtag. Die Linkspartei fliegt hingegen aus dem Landtag und kommt nur noch auf 4,0 bis 4,6 Prozent.
Sachsen Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU).
Das sind die Gewinne und Verluste der einzelnen Parteien in Sachsen:
- AfD: plus etwa 3 Prozent
- CDU: minus 0,4 Prozent
- Linke: minus etwa 6 Prozent
- SPD: plus 0,2 Prozent
- Grüne: minus 3,4 Prozent
- BSW (neu): plus 12,0 11,5 bis 12,0 Prozent
Das sind jetzt mögliche Koalitions-Überlegungen in Sachsen:
- MP Kretschmer könnte die alte Koalition mit SPD und Grünen fortsetzen. Die drei Parteien kommen auf eine knappe Mehrheit von 61 Sitzen (insgesamt 120 Sitze)
- Wenn CDU-Kretschmer nicht mehr mit den Grünen weitermachen will, was er im Wahlkampf immer wieder angedeutet hat, könnte er die Grünen durch die neue Wagenknecht-Partei ersetzen und käme auch auf eine Mehrheit (71 von 120 Mandaten). Ein Bündnis mit der Ex-Linkenpolitikerin dürfte allerdings für Sprengstoff in der CDU sorgen.
Wie geht es jetzt weiter?
Nach der Wahl ist vor der Wahl. Wie es in Thüringen und Sachsen jetzt weitergeht, ist völlig unklar. Es wird eine äußert schwierige Koalitionsbildung erwartet. Klar ist: Keine Partei will und wird mit der AfD koalieren. Welche Mehrheiten abseits der Alternative für Deutschland möglich sind, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Auch Neuwahlen sind alles andere als ausgeschlossen. Kommt in beiden Ländern keine Anti-AfD-Mehrheit zu Stande, werden die Wähler noch einmal zu den Urnen gebeten.
Die Liberalen versinken in der Bedeutungslosigkeit
Am härtesten von den drei Berliner Regierungsparteien hat es die FDP um Finanzminister Christian Lindner getroffen. Seine Freien Demokraten sind in Thüringen und Sachsen kaum noch messbar. die Partei versinkt in der Bedeutungslosigkeit. Das bietet den größten Sprengstoff für die deutsche Bundesregierung. Im Bündnis mit SPD und Grünen geht es für die FDP (wieder)einmal ums politische Überleben. Der letzte Rettungsanker könnte für die FDP ein Platzenlassen der unbeliebten Dreier-Koalition sein. Erste Parteirebellen gehen schon auf Abstand zur Bundesregierung. Wolfgang Kubicki schreibt auf Facebook.
Die Wahlen in Thüringen und Sachsen könnten das endgültige Ende der Ampel-Regierung bedeuten.
Was die AfD mit einer Sperrminorität verhindern könnte
Die AfD kann wegen ihrer hohen Ergebnisse bei den Wahlen in Sachsen und Thüringen künftig in einem oder womöglich sogar in beiden Landtagen wichtige Entscheidungen und Wahlen blockieren. Die Partei wird Hochrechnungen zufolge mit mehr als einem Drittel der Sitze im Landtag von Thüringen über eine Sperrminorität verfügen - mit den nötigen mindestens 30 Parlamentssitzen bei insgesamt 88 Sitzen.
In Sachsen könnte es hingegen knapp werden: Dort müsste die Partei von insgesamt 120 Parlamentssitzen mehr als 40 besetzen. Verfügt die AfD über eine Sperrminorität, könnten bestimmte Landesgesetze, die mit einer Zweidrittelmehrheit aller Abgeordneter entschieden werden müssen, nicht ohne die Rechtsaußen-Parlamentarier zustande kommen.
Posten könnten ohne AfD-Zustimmung nicht nachbesetzt werden
In Sachsen und Thüringen werden wie auch in anderen Bundesländern Verfassungsrichter und die Spitzen der Landesrechnungshöfe mit Zweidrittelmehrheit aller Parlamentarier gewählt. Bestimmte Posten könnten dann also ohne AfD-Zustimmung nicht nachbesetzt werden. Zudem könnten sich die Landtage nicht selbst auflösen.
Der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags zufolge kann auch ein Parlamentspräsident oder seine Stellvertreter nur von zwei Dritteln aller Abgeordneter abgewählt werden. Mitglieder des Richterwahlausschusses, der im Freistaat über die Berufung von Richtern auf Lebenszeit entscheidet, müssen mit zwei Dritteln der bei der Entscheidung im Plenum anwesenden Abgeordneten gewählt werden.
In Sachsen könnten Vorsitzende einzelner Parlamentsausschüsse unter anderem nur von mindestens zwei Dritteln des Parlaments abgesetzt werden.