Benedikt XVI. besuchte die Große Synagoge in Rom.
Fast 24 Jahre nach seinem Vorgänger Johannes Paul II. hat Papst Benedikt XVI. am Sonntag die Große Synagoge in Rom besucht. Dabei sendete er einen Appell gegen Antisemitismus und verteidigte die Hilfsbemühungen des Vatikan während des Holocaust. Die Plage des Antisemitismus müsse "für immer beseitigt werden", sagte der Papst. Er erinnerte daran, dass die Kirche wiederholt die Versäumnisse ihrer Kinder verurteilt und um Verzeihung für all das gebeten habe, was in irgendeiner Weise den Antisemitismus genährt habe.
"Gipfel des Hasses"
Der Papst gedachte der Deportation
der römischen Juden und der "schrecklichen Pein" ihrer Ermordung in
Auschwitz. Damals habe der Heilige Stuhl oft "verborgene und diskrete
Hilfsaktionen" geleistet. "Das erschütternde Drama der Shoah ist der Gipfel
eines Wegs des Hasses, der dann entsteht, wenn der Mensch seinen Schöpfer
vergisst und sich selbst in die Mitte des Universums stellt", erklärte der
Pontifex. Vor den offiziellen Ansprachen wurde eine Schweigeminute für die
Opfer des Erdbebens in Haiti eingehalten.
Kritik an Pius XII.
Sein Besuch in der römischen Synagoge nach
jenem seines Vorgängers Johannes Paul II. im Jahr 1986 bestätige und stärke
den Weg der Freundschaft mit den Juden, den Karol Wojtyla gezeigt habe,
erklärte der Papst. Katholiken und Juden sollten ihre Beziehungen stärken
und gemeinsam den Weg "der Versöhnung und der Brüderlichkeit" beschreiten,
erklärte der Heilige Vater. Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) sei für
die Katholiken ein fixer Punkt, auf den man sich ständig beziehen könne.
"Das Konzil hat dem Engagement für einen nicht mehr rückgängig zu machenden
Weg des Dialogs, der Brüderlichkeit und der Freundschaft einen
entscheidenden Impuls gegeben. Dieser Weg ist in diesen 40 Jahren mit
wichtigen und bedeutsamen Gesten und Schritten weitergeführt und vertieft
worden", erklärte der Papst.
Der Präsident der jüdischen Gemeinde in Italien, Riccardo Pacifici, übte in seiner Ansprache Kritik am Schweigen von Pius XII. zur Ermordung der Juden während des NS-Regimes. "Das Schweigen von Pius XII. vor der Shoah schmerzt immer noch. Vielleicht hätte er nicht die Todeszüge aufhalten können, er hätte jedoch ein Signal, ein Wort des Trostes, der menschlichen Solidarität für unsere Brüder geben können, die zu den Schornsteinen von Auschwitz geführt wurden", sagte Pacifici. "In Erwartung eines gemeinsamen Urteils fordern wir mit höchstem Respekt, dass die Historiker Zugang zu den vatikanischen Archiven mit den Dokumenten haben können, die diese Periode und alle darauffolgenden Ereignisse bis zum Zusammenbruch des nationalsozialistischen Deutschland betreffen", forderte Pacifici weiter.
Überlebende eines Attentats begrüßt
In seiner
Ansprache wies Pacifici darauf hin, dass einige Staaten den religiösen
Fundamentalismus förderten und die Vernichtung Israels und der Juden
planten. "Männer und Frauen sind vom Hass beseelt und werden von
terroristischen Organisationen finanziert, die unsere Vernichtung nicht nur
in kulturellem, sondern auch im physischen Sinn zum Ziel haben", meinte er.
Vor dem Eintritt in die Synagoge legte Benedikt XVI. eine kurze Strecke zu Fuß zurück. Dabei schüttelte er die Hände einiger Überlebender eines Attentats der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) gegen die römische Synagoge am 9. Oktober 1982, bei dem ein zweijähriges jüdisches Kind ums Leben gekommen war. Weitere 37 Personen, die damals im Tempel gebetet hatten, waren verletzt worden. Nach dem Treffen mit den Opfern des Anschlags hielt der Papst vor einer Gedenktafel für die im Oktober 1943 in Konzentrationslager verschleppten römischen Juden inne.