Seit seiner ersten Verhaftung in London 1998 auf Anordnung des spanischen Richters Baltasar Garzón und 16 Monaten im Hausarrest sah sich der verstorbene chilenische Ex-Diktator Augusto Pinochet mit einem Dutzend Anklagen konfrontiert.
Für jede einzelne mussten die Justizvertreter eine Aufhebung der Immunität des Generals beantragen, die ihm als ehemaligem Staatschef zustand.
Zudem mussten sie beweisen, dass der Angeklagte gesundheitlich einen Prozess durchstehen würde. Bis zuletzt gelang es Pinochet aber immer wieder, einer Verurteilung zu entgehen, trotz der langen Liste der ihm zur Last gelegten Verbrechen.
Die spanische Zeitung "El Pais" dokumentierte in ihrer Online-Ausgabe die wichtigsten Fälle, in denen die Justiz gegen den Ex-Diktator aktiv wurde:
- Die "Todeskaravane": Im Oktober 1973, kurz nach dem Putsch,
fuhr ein Militärtrupp durch ganz Chile auf der Suche nach
Regimegegnern. Laut dem chilenischen Richter Juan Guzmán
verschwanden oder starben damals 74 Menschen durch die Hand der
Juntaschergen.
Im August 2000 erhob die chilenische Justiz erstmals Anklage gegen Pinochet wegen 57 Hinrichtungen und 18 verschwundener Personen in Zusammenhang mit der Todeskaravane. Richter Guzmán verfügte im Jänner 2001 Hausarrest gegen den Ex-Diktator, setzte ihn aber zwei Monate später provisorisch wieder auf freien Fuß.
- Der chilenische General Carlos Prats, Vorgänger von Pinochet als
Heereschef, starb zusammen mit seiner Frau Sofia 1974 bei einem von der
chilenischen Geheimpolizei in Buenos Aires verübten Bombenanschlag.
Pinochet wurde vorgeworfen, der geistige Urheber des Attentats zu sein.
Im November 2000 wurde dem Ex-Präsidenten das Verlassen Chiles verboten, nachdem Argentinien wegen des Mordes an Prats einAuslieferungsbegehren gestellt hatte. Der Oberste Gerichtshof Chiles wies 2004 einen Antrag auf Aufhebung der Immunität Pinochets wegen Formfehlern zurück. 2005 wurde er endgültig von der chilenischen Justiz in diesem Fall freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft von Buenos Aires jedoch erließ 2006 einen internationalen Fahndungs- und Haftbefehl.
- Schwarze Konten: US-Ermittler fanden im Juli 2004 in der Riggs Bank Guthaben des Ex-Generals im Wert von acht Millionen Dollar (6 Mio. Euro) auf geheimen Konten. Chilenische Ermittler entdeckten, dass Pinochet insgesamt 27 Millionen Dollar (20 Mio. Euro) an Schwarzgeld in verschiedenen Ländern gebunkert hatte. Er wurde wegen Steuerhinterziehung und der Verwendung gefälschter Dokumente angeklagt. Auch seine Frau und vier seiner fünf Kinder sind in den Fall verwickelt.
- Operation Cóndor: Pinochet wurde wegen aktiver Beteiligung an dieser Operation angeklagt, bei der sechs südamerikanische Diktaturen in den 70-er Jahren bei der Verfolgung und Vernichtung linker Oppositioneller zusammenarbeiteten. Im August 2004 hob der Oberste chilenische Gerichtshof die Immunität des Ex-Staatschefs auf, um ihm wegen neun Entführungen und einem Mord im Rahmen der Operation Condor den Prozess zu machen. Im September 2005 wurde das Verfahren eingestellt.
- Operatión Colombo: Zwischen 1974 und 1975 wurden 119 Oppositionelle
ermordet. Das Regime behauptete, sie seien von ihren eigenen Genossen
exekutiert worden.
Im Juli 2005 wurde Pinochets Immunität wegen des Verschwindens von 37 Personen aufgehoben. Nachdem er für geistig fähig für einen Prozess erklärt worden war, wurde er im Jänner gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt.
- Villa Grimaldi: Sie galt als eines der wichtigsten Geheimgefängnisse unter der Militärdiktatur. Hunderte Menschen, darunter auch die jetzige Präsidentin Michelle Bachelet, wurden dort zwischen 1974 und 1977 gefoltert. Im vergangenen September wurde Pinochet erneut die Immunität entzogen und wegen 23 Fällen von Folter und 23 Entführungen angeklagt.
- Der spanische Priester Antonio Llidó Mengual verschwand nach seiner Festnahme durch argentinische Geheimdienstagenten 1974. Im November 2006 ordnete der chilenische Richter Jorge Zepeda die Aufhebung von Pinochets Immunität wegen des Verdachts an, dass der Priester mit Wissen des Ex-Diktators gefoltert worden war.
Die 17-jährige Schreckensherrschaft des chilenischen Militärregimes dauerte von 1973 bis 1990. Insgesamt brachten die Militärs mehr als 3.000 Menschen um oder ließen sie für immer verschwinden. Kurz nach dem Putsch wurde Tausende im Stadion von Santiago zusammengetrieben, darunter der Sänger Victor Jara, dem seine Peiniger die Hände brachen, bevor sie ihn ermordeten. Heute trägt das Stadion seinen Namen.