Zwei Bomben rissen in Istanbul 17 Menschen in den Tod, 154 wurden verletzt. Die PKK wird verdächtigt - dementiert jedoch eine Beteiligung.
Nach den beiden Bombenanschlägen von Istanbul hat die Polizei laut einem Zeitungsbericht drei Jugendliche festgenommen. Die 16 und 17 Jahre alten Jugendlichen seien in einem Keller in der Nähe des Explosionsorts aufgegriffen worden, schrieb die Zeitung "Milliyet". Die Polizei habe damit am Sonntagabend auf einen Hinweis von Einwohnern reagiert. Die drei hätten erklärt, sie hätten sich in dem Keller versteckt, weil sie nach den Explosionen Angst bekommen hätten, schrieb das Blatt.
Der Anschlag ereignete sich im Stadtteil Güngören auf der europäischen Seite der Metropole. Medienberichten zufolge verdächtigt die Polizei die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) hinter dem Doppelanschlag. Diese dementiert jedoch vehement. Dies berichtet die liberale Zeitung "Milliyet" unter Berufung auf einen Geheimdienstmitarbeiter in Ankara.
Explosion im Mistkübel
Die erste Bombe von geringer
Sprengkraft explodierte in einem Mistkübel an einer Geschäftsstraße von
Güngören, wo zu dem Zeitpunkt viele Familien zum Abendessen oder zum
Teetrinken waren, wie Güler laut NTV vor Journalisten am Anschlagsort sagte.
Wenige Minuten später habe sich in einigen Metern Entfernung eine weitere,
diesmal heftige, Explosion ereignet. Die zweite Bombe sei ebenfalls in einem
Mülleimer versteckt gewesen und in dem Moment hochgegangen, als sich gerade
zahlreiche Menschen zum ersten Explosionsort bewegten.
Zweite Bombe riss Schaulustige in den Tod
Zeugenberichten
zufolge war die erste Explosion nicht sehr stark. "Viele Menschen
kamen, um zu sehen, was los war", sagte Huseyin Sentürk, der ein
Schuhgeschäft in dem Viertel betreibt. "Dann kam es zur zweiten
Explosion, die viele Schaulustige verletzte." Demnach wurden auch
Menschen verletzt, die sich in nahe gelegenen Geschäften aufhielten. Der
belebte Platz war nach den Detonationen voll mit Glasscherben,
Kleidungsstücken, Schaufensterpuppen und Trümmerteilen.
Der Fernsehsender NTV zeigte Bilder, auf denen blutüberströmte Menschen zu sehen waren, die panisch und orientierungslos umherliefen. Zahlreiche Rettungs- und Feuerwehrfahrzeuge fuhren zum Anschlagsort. Die Polizei riegelte das Gebiet ab und kontrollierte verdächtige Gepäckstücke in der Umgebung.
Premier und Präsident verurteilen Anschlag
Staatspräsident
Abdullah Gül und Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan verurteilten den
Anschlag auf das Schärfste. "Mit dem Töten unschuldiger Menschen
und mit Terrorismus können keine Ziele erreicht werden", erklärte
Gül. "Diese Anschläge zeigen, wie unmenschlich und armselig die
Urheber sind."
Erdogan beschuldigt indirekt PKK
Der türkische Ministerpräsident
Recep Tayyip Erdogan hat Rebellen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)
indirekt mit dem schweren Bombenanschlag in Verbindung gebracht. Der Preis
für die türkischen Militäreinsätze wiege schwer, sagte Erdogan am Montag in
Istanbul. Die Bombenexplosionen vom Sonntagabend seien ein Beispiel dafür.
Dabei habe es sich um "Propaganda" von Rebellen gehandelt, sagte Erdogan,
ohne die PKK beim Namen zu nennen. "Wir kämpfen seit 30 Jahren gegen den
Terrorismus", fügte er hinzu.
Wird Regierungspartei AKP verboten?
Die Detonationen ereigneten
sich nur Stunden vor Beginn der Beratungen des Verfassungsgerichts über ein
mögliches Verbot der Regierungspartei AKP. Das Verfahren hat die Türkei in
den vergangenen Monaten zutiefst gespalten. Zunächst bekannte sich niemand
zu dem folgenschwersten Anschlag in dem Land seit 2003. In der Vergangenheit
haben kurdische Separatisten, linksextremistische Gruppen und Islamisten
Anschläge in Istanbul verübt. Der stellvertretende Ministerpräsident Hayati
Yazici erklärte, es habe sich um einen Terroranschlag gehandelt, es sei
jedoch noch unklar, wer das Attentat verübt habe.
PKK wird verdächtigt
Laut NTV vermutet die Polizei die PKK
hinter der Tat. Die Polizei werde die Aufnahmen von Überwachungskameras
auswerten, sagte der Gouverneur Güler. In Istanbul wurden bereits mehrere
Attentate der PKK zugeschrieben, die seit 1984 für die Unabhängigkeit des
Kurdengebietes kämpft. In dem Konflikt kamen bisher mehr als 37.000 Menschen
ums Leben. Die türkische Regierung geht gegen die kurdischen Rebellen auch
im Nachbarland Irak vor. Erst in der Nacht auf Sonntag griff die türkische
Luftwaffe Stellungen von PKK-Rebellen im Nordirak an. Zuvor hatte die
türkische Armee in der Nacht auf Donnerstag PKK-Stellungen im Irak
beschossen.
2003: 57 Tote in Istanbul
Die türkische Wirtschaftsmetropole war
zuletzt 2003 von einer Serie schwerer Anschläge erschüttert worden. Bei
Selbstmordattentaten auf zwei Synagogen, das britische Konsulat und auf eine
britische Bank in Istanbul wurden insgesamt 57 Menschen getötet. 2006 kam
bei einer gegen Polizisten gerichteten Bombenexplosion in einem Internetcafé
ein Mensch ums Leben, 16 weitere wurden verletzt. Anfang Juli schließlich
eröffnete eine Gruppe Bewaffneter, die Verbindungen zur Terrororganisation
Al Kaida gehabt haben sollen, das Feuer auf Wachleute des US-Konsulats. Drei
Beamte und drei der Angreifer wurden getötet.
Die innenpolitische Lage in der Türkei ist derzeit angespannt: Am Freitag gab die türkische Justiz grünes Licht für einen Prozess gegen 86 mutmaßliche Mitglieder einer nationalistischen Verschwörung, die einen Putsch gegen die Regierung in Ankara geplant haben sollen. Ab dem heutigen Montag entscheidet das türkische Verfassungsgericht zudem über ein Verbot der Regierungspartei AKP von Ministerpräsident Erdogan. Der AKP droht wegen angeblicher islamistischer Tendenzen die Auflösung, zugleich fordert die Generalstaatsanwaltschaft ein fünfjähriges politisches Betätigungsverbot für Erdogan, Staatspräsident Gül sowie andere führende AKP-Politiker.